DER MERZ-VORSCHLAG ZUM STEUERSYSTEM IST NUR THEORETISCH SCHÖN
: In der Praxis technokratisch

So jemand wie der CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz stößt normalerweise schnell auf Widerstand. Zu schmähend seine Kritik, zu technokratisch seine Ansichten, zu kompromisslos sein Umgang. Doch sein Vorschlag für eine komplette Reform der Steuer wird nicht einmal von der SPD ernsthaft kritisiert. Vielleicht musste erst jemand wie Merz kommen, um einen Steuervorschlag ernsthaft in die politische Debatte zu hieven, der genauso kompromisslos ist wie er selbst.

Nur drei Steuersätze, ein Freibetrag von 8.000 Euro pro Kind und wenige Vergünstigungen – das klingt gut. Selbst Politikern gelingt es längst nicht mehr, das Gestrüpp der heutigen Absetzmöglichkeiten zu durchdringen. Die hohe Kinderpauschale dagegen ist familienfreundlich, die Steuersätze sind maßvoll – was will man mehr? Viele Schlupflöcher, die vor allem Gutverdienenden nützen und allgemein als ungerecht empfunden werden, würden endlich gestopft. Schon bald, möchte man meinen, sollte die Reform beschlossene Sache sein.

Das Modell der drei Steuersätze klingt elegant und einleuchtend – einerseits. Doch andererseits wird der Glanz verblassen, sobald sich jeder seine persönliche Steuerbelastung à la Merz ausrechnen kann. Dann wird sich schnell der Eindruck einstellen, das auch ein am grünen Tisch geplantes Einkaufszentrum hinterlässt: hell und einladend auf den ersten Blick – doch schnell sehnt man sich nach den alten Gassen und kleinen Läden zurück.

Nicht umsonst ist das Steuerrecht so kompliziert: das Resultat eines jahrzehntelangen Ringens um Gerechtigkeit, ein gewachsener Organismus, so wie eine Altstadt gewachsen ist. Natürlich möchte man durchschauen, wie das System funktioniert. Noch lieber möchte man Steuern sparen.

Deshalb wird spätestens bei der Umsetzung schnell das Geschacher um jede kleine Pauschale losgehen. Merz selbst geht mit schlechtem Beispiel voran: So sieht der Christdemokrat vor, dass die Kirchensteuer, bei der es sich ja streng genommen um einen Mitgliedsbeitrag handelt, nach der Reform von der Steuer absetzbar bleiben soll.

In der Theorie ist Merz’ Vorschlag ein guter Plan. In der Praxis aber könnte er sich schnell als technokratisches Monster entpuppen. MATTHIAS URBACH