Lkw-Konvoi statt Ölpipeline

Russlands Präsident Putin sagt bei seinem Besuch in Peking eine geplante Pipeline ab. Die Großmächte Russland und China verbinden hauptsächlich kleine Geschäfte

PEKING taz ■ Russlands Präsident Wladimir Putin, der sich bis heute in China aufhält, wird es kaum bemerkt haben. Aber jede Nacht erwacht in Peking das kleine russische Viertel. Dann dröhnen uralte Lastwagen, die für tagsüber keine Fahrerlaubnis besitzen, durch die modernen Hochhausstraßen des zentralen Geschäftsviertels zu den Lagerhallen für Mäntel, Jacken und Schuhe am altkaiserlichen Ritan-Park. In ihnen hausen viele russische Händler. Mehrere Meter hoch lassen sie die Ladeflächen der Lkws mit großen Bündeln beladen – dann geht es Richtung Sibirien oder Mongolei. Hunderte solcher Lkws, von denen man nicht glaubt, dass sie die Reise ins weite Russland durchstehen, verlassen jede Nacht Peking. Ein Zeichen blühenden chinesisch-russischen Handels?

Li Gang, Russlandexperte der Chinesischen Akademie für Außenhandel in Peking, verneint: Klare Handelsregeln seien für beide Länder ein großes Problem. Noch immer klage die russische Seite über Unmengen illegaler Importe aus China. Schuld daran seien laut Li so genannte Zollabwicklungsfirmen, die unter einer Decke mit russischen Zollbehörden steckten und die chinesische Ware illegal über die Grenze schafften. Sollte man also die Lkws am besten gleich am Ritan-Park stoppen?

Putin denkt gar nicht daran. Sein Pekingbesuch mit Weiterfahrt nach Xian soll den Handel mit China beflügeln, nicht beeinträchtigen. „Unser Handelsvolumen wächst schnell“, sagte Putin, „bald werden wir 20 Milliarden Dollar erreichen, mittelfristig 60 Milliarden Dollar.“ Das sind hehre Ziele. Tatsächlich erreichte Russland 2003 ein Handelsvolumen mit China über 15,76 Milliarden Dollar, was nur ein Drittel des deutschen Handels mit China von knapp 45 Milliarden Dollar 2003 ausmacht. Was mehr lässt sich also tun?

Die Chinesen wissen genau, was sie von Russland wollen: mehr Öl und Erdgas. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres steigerte China seine Ölimporte um 34 Prozent – ein Grund für den weltweit hohen Ölpreis. Nun wurde in Gegenwart von Putin und Chinas Präsident Hu Jintao eine Übereinkunft zwischen dem russischen Gasriesen Gazprom und der China National Petroleum Corporation (CNPC) erzielt – für Gaslieferungen von Sibirien nach China. Doch befinden sich die Verhandlungen über das 18-Milliarden-Dollar-Projekt noch im Anfangsstadium. Viel schwerer wiegt, dass Putin ein seit Jahren diskutiertes russisch-chinesisches Ölpipelineprojekt in Peking offenbar endgültig absagte. „Russlands Wahl der Pipelinestrecke wird von dem nationalen Interesse der Entwicklung unseres Fernen Ostens geleitet“, betonte Putin. Damit dürfte klar sein, dass das japanische Angebot einer Pipeline bis zum russischen Hafen Nakhodka am Japanischen Meer in Moskau den Vorzug erhielt. Dafür versprach Russland den Chinesen eine Erhöhung der Öllieferungen per Eisenbahn von derzeit 6 Millionen Tonnen auf 10 bis 15 Millionen Tonnen pro Jahr.

Ernüchterung war also auch ein Merkmal des Putin-Besuchs in Peking, zumal beide Staatsführer die sie offiziell verbindende „strategische Partnerschaft“ weniger betonten als noch unter Hus Vorgänger Jiang Zemin. Umso wichtiger aber bleibt das kleine Russenviertel in Peking. In ihm zeigt sich der wahre Charakter der Handelsbeziehungen. GEORG BLUME