„Joschka Fischer hat nichts gesagt“

Obwohl seit drei Jahren eine UN-Resolution die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen fordert, ist in der Realität wenig geschehen. Renée Ernst vom Bonner Konversionszentrum über Chancen und Risiken von Frauenquoten in Nachkriegszeiten

Interview HEIDE OESTREICH

taz: Vor drei Jahren wurde die UN-Resolution verabschiedet, nach der Frauen an allen Gremien zu beteiligen sind, die sich mit Verhütung oder Bewältigung von Konflikten beschäftigen – also auch an Nachkriegsregierungen. Hat die Resolution etwas bewirkt?

Renée Ernst: Direkt kaum. Aber indirekt hat sie riesige Auswirkungen: Weltweit berufen sich Organisationen auf dieses Papier, das ist ein Meilenstein für die Frauen im Rahmen der Sicherheits- und Außenpolitik.

Inwiefern?

Es haben sich Organisationen gegründet, die auf die Umsetzung der Resolution pochen. Wir als Frauensicherheitsrat treten etwa an das Auswärtige Amt heran und fordern konkrete Zielquoten ein. Wie viele Frauen man nun in von Deutschland geförderte Ausbildungsprojekte integrieren möchte, etwa.

Die UNO selbst tut nichts?

Fast nichts. In Afghanistan etwa hat die UNO in dieser Hinsicht versagt. Es war die erste afghanische Frauenministerin Sima Samar, die das Büro des UNO-Beauftragten mit Briefen bombardiert hat, damit die Frauen in der Regierung berücksichtigt werden – das klägliche Ergebnis ist ja bekannt.

Die UNO meint, man könne auch so für die Frauen mitentscheiden?

Das kann eigentlich nicht sein, denn die UNO hat diese Resolution ja offenbar für nötig gehalten. Man weiß ja mittlerweile, wie sehr Frauen zur Friedenssicherung beitragen können: In Uganda sind es Frauen, die die Brücken schlagen zwischen Rebellengruppen und der Regierung – weil sie es leid sind, dass ihre Töchter entführt und ihre Söhne zwangsrekrutiert werden. Das ist bekannt. Aber wenn es um konkrete Politik geht, dann sichern sich die Interessengruppen ihr Stück Macht – dagegen kann man mit Vernunft wenig ausrichten. Durchbrechen kann man dieses Muster nur mit Quoten. Die finden wir nicht toll, aber niemand hat bisher einen besseren Weg gefunden.

Würde etwa Kofi Annan Ihre Forderung nach einer Quote unterstützen?

Er hat versucht, Wege dahin zu bereiten, konkret gefordert hat er sie nicht. Nur die Mitgliedsstaaten können hier Druck herstellen. Deutschland ist gerade für zwei Jahre im Sicherheitsrat, diese Chance müssen wir nutzen.

Ist Joschka Fischer ein Vertreter der Quote?

Dazu hat er noch nichts gesagt. Die skandinavischen Länder nutzen diese Chance sehr viel offensiver. Bei der Generalversammlung haben die Schweden das Thema auf die Agenda gesetzt – die Deutschen haben geschwiegen, so ist das.

Die Quotenforderung liegt quer zu den jeweiligen Machtstrukturen, wie begründen Sie sie?

Nach Kriegen stellen die Frauen häufig die Mehrheit. Wer demokratische Strukturen schaffen will, muss sie beteiligen. Es wird auf alle möglichen Gruppierungen und Minderheiten Rücksicht genommen, aber die Mehrheit wird nicht beteiligt?

Weil der paschtunische Mann eben für seine Frau mitspricht, wäre die Antwort.

Dass diese Frau Interessen hat, die von ihm nicht mitvertreten werden, hat sich auch in Afghanistan schon herumgesprochen.

Ist es realistisch, im Irak oder in Afghanistan eine 30-Prozent-Quote zu fordern?

Afghanistan wäre damit überfordert. Aber es wird ein Ziel formuliert: Um dorthin zu kommen, muss man mehr Frauen Zugang zu Bildung gewähren. Im Übrigen muss man auch die Männer bilden: Sie leiten die absurdeste Geschlechterpolitik aus ihrem kruden Koranverständnis ab. Die könnten lernen, was wirklich im Koran steht.

Im Irak ist die Lage anders. Die Baathisten haben Frauen zeitweise durchaus Zugang zu Bildung und hohen Positionen gewährt. Dort gibt es viele gut ausgebildete Frauen, die Verantwortung übernehmen können. Man müsste eher eine 50-Prozent-Quote einführen.

Als traditioneller Muslim würde ich Ihnen westlichen Kulturimperialismus vorwerfen.

Ich kenne diese Dialoge. Wer aber vom Westen etwas fordert, Geld etwa, muss sich auch mit gewissen Standards auseinander setzen. Die Menschenrechte – und damit auch die Gleichberechtigung – gehören dazu.