Haushalt ist verfassungswidrig

Doch der Senat ist gar nicht traurig: Das Urteil erleichtert das Sparen und die Klage gegen den Bund auf Hilfe bei der Entschuldung. Wowereit verhängt Haushaltssperre

BERLIN taz ■ Der Haushalt des Landes Berlin für die Jahre 2002 und 2003 ist in wesentlichen Teilen verfassungswidrig. Diese Entscheidung gab das Landesverfassungsgericht gestern bekannt und damit einer Klage Recht, die CDU, FDP und Grüne gemeinsam eingereicht hatten. Die Neuverschuldung der Hauptstadt übertrifft mit 10 Milliarden Euro die Summe aller Investionen, 4 Milliarden, bei weitem. Die rot-rote Koalition wertete das Urteil nicht als Niederlage. Im Gegenteil: Man spüre Rückenwind für die laufende Klage Berlins um Hilfen zur Entschuldung vor dem Bundesverfassungsgericht, erklärte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) unmittelbar anschließend. Auch „mein Geschäft des Sparens wird duch das Urteil eher leichter“, sagte der Senator.

Weniger das Urteil als seine Begründung sind jedoch problematisch für die Koalition von Klaus Wowereit (SPD). Das Gericht verwarf nämlich nicht den Ausnahmetatbestand eines gestörten, gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Berlin, sondern argumentierte, der Senat habe nicht dargelegt, wie seine Verschuldung die Störung abwehre.

Zudem deutete das Gericht überraschend an, auch eine „extreme Haushaltsnotlage“ wäre eine potenzielle Begründung für Verschuldung gewesen. Die Berliner Landespolitik weigerte sich lange Zeit wider besseres Wissen, die vorhandene „extreme Haushaltsnotlage“ anzuerkennen. In den Koalitonsverhandlungen vor zwei Jahren setzte sich Klaus Wowereit noch einmal gegen Bedenken der PDS durch: Auch Rot-Rot leugnete die extreme Haushaltsnotlage – bis zum Jahresende 2002. Für den nun vom Gericht beanstandeten Haushalt war das zu spät.

Noch ärgerlicher für den Regierenden: Bei der Verabschiednung des Haushaltes in einer stürmischen Parlamentssitzung hatte sein Finanzsenator erklärt, er halte seinen Etat selbst „objektiv für verfassungswidrig“. Wowereit musste damals das Wort ergreifen, um seinem Fachminister zu widersprechen, der Senat sei von der Verfassungsmäßigkeit des Haushaltes überzeugt. Deshalb bezichtigt ihn die Opposition heute sogar der Lüge.

Auch für die aktuellen Ausgaben Berlins hat das Urteil Konsequenzen. Der rot-rote Senat, der noch am Nachmittag zu einer Sondersitzung zusammentrat, verfügte sofort eine Haushaltssperre. Löhne und Gehälter sowie bereits gezahlte Mittel sind davon allerdings nicht betroffen.

Stärkere Auswirkungen kann man für den kommenden Etat erwarten. Der Finanzsenator versucht bisher vergeblich, wenigstens die laufenden Ausgaben (ohne Zinsen) unter das Niveau der Einnahmen zu drücken. Gebührenerhöhung, Schließung öffentlicher Einrichtungen und Verzicht auf Neueinstellung von Lehrern und Kita-Erziehern werden von vielen in der Stadt als Kahlschlag empfunden. Die Berliner Finanzen werden durch im Vergleich zu anderen Bundesländern hohe Zinsausgaben, hohe Ausgaben für einen überbesetzten öffentlichen Dienst und hohe Sozialkosten belastet.

ROBIN ALEXANDER

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