Noch viel Hirnschmalz nötig

Das CDU-Steuermodell bringt dem Bürger nicht so viel, wie das CDU-Sozialreformmodell ihm nimmt

BERLIN taz ■ Mit dem Steuerpapier von Friedrich Merz liegt nun das zweite große Zukunftskonzept der Union auf dem Tisch. Das Konzept zum Umbau der sozialen Sicherung der Herzog-Kommission hat die CDU bereits abgesegnet. Doch wie vertragen sich die Steuer- und die Sozialutopien der Union? „Das steht noch unverbunden nebeneinander“, sagt der Bundestagsabgeordnete Gerald Weiß (CDU) der taz, „da müssen wir noch viel Hirnschmalz investieren, um das zusammenzubringen.“

Weiß spricht für die Arbeitnehmergruppe von CDU und CSU im Bundestag, und er ist einer der Ersten, die sich Gedanken über die Vereinbarkeit der beiden wichtigsten Reformelemente der Union machen. Dazu hat er allen Grund. Denn die Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA) lehnen schon das so genannte Kopfpauschalenmodell der Herzog-Kommission ab – weil es sozial ungerecht sei, von allen denselben Beitrag von 264 Euro für die Krankenversicherung abzuziehen. Nun kommt ein Steuerkonzept hinzu, das erneut zu Lasten der Gering-und Mittelverdiener geht.

Die CDA-Leute haben ausgerechnet, wie viel Geld nötig wäre, um die Herzog’sche Kopfpauschale sozial abzufedern. Sie kommen auf einen Betrag von 27 Milliarden Euro. So viel brauchte man, um die Kopfpauschale für untere Einkommensgruppen finanzierbar zu machen. Nach dem ausdrücklichen Wunsch der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel soll dieser soziale Ausgleich aus Steuergeldern erfolgen – ein Widerspruch zur Idee des Steuerkonzepts von Merz.

Die beruht ja darauf, die Steuersätze abzusenken und zu vereinfachen und zugleich möglichst viele Steuerfreibeträge zu beseitigen. Nun wäre, bevor der Kampf mit den Interessengruppen überhaupt begonnen hat, die Parteichefin dabei, einen neuen gigantischen Freibetrag von 27 Milliarden Euro einzuführen: den Kopfpauschalenfreibetrag für Geringverdiener.

Kein Wunder, dass die Steuer- wie die Sozialpolitiker der Union einsilbig werden, wenn es um die Harmonie zwischen ihren beiden Zukunftsbausteinen geht. Wollte man den Krankenbeitrag für Kleinverdiener mit 27 Milliarden Euro subventionieren, wäre Merz’ Steuermodell schlicht überfordert. Die Steuerentlastung von 5 bis 10 Milliarden Euro, die der Finanzjongleuer Merz mit seiner Radikalreform erreichen will, wären damit mehr als futsch. Umgekehrt kommt das Herzog-Modell ohne Zuschuss aus dem Steuersäckel nicht aus.

Dietrich Austermann, neben Merz fürs Geld in der Unionsfraktion zuständig, warb daher gegenüber der taz um Gelduld bei der Harmoniesierung. „Wir müssen sehr intensiv darüber reden, ob und wie wir das Herzog’sche Sozialsystem aus dem Haushalt finanzieren können.“ Merz selbst fühlt sich für die Abstimmung der beiden Zukunftsmodelle nicht zuständig. Sein Auftrag, so gab er gewohnt trotzig zu Protokoll, habe darin bestanden, sich um die Steuern zu kümmern. Basta.

Bei den Christlich-Demokratischen Arbeitnehmern ist man geschmeidiger. „Der Grundgedanke der Steuervereinfachung ist bestechend“, sagt Gerald Weiß. Er will den Konflikt der Konzepte ganz konkret lösen – mit Hilfe einer Krankenschwester. Sie soll Exempel für die Tauglichkeit sein. Eine gering verdienende Krankenschwester, die täglich mit dem Auto in den Job fährt, soll nach Herzog und Merz mehr Geld in der Tasche haben – also nachdem man ihr die Pendlerpauschale weggenommen und sie für die Kopfpauschale zur Kasse gebeten hat. Wenn das klappen würde, wäre Weiß bei der Merz-Reform dabei.

CHRISTIAN FÜLLER