Bochumer Herbstdepressionen

Bochum steckt in der Krise. Opel will mehrere tausend Stellen abbauen und der VfL steckt nach der Heimniederlage gegen Rostock im Abstiegskampf. Die Stimmung in der Stadt ist am Boden

„Eine Krise sehe ich noch nicht“, sagt Bochums Trainer Peter Neururer

AUS BOCHUMHOLGER PAULER

„Opel gehört zu Bochum wie der VfL“, war auf dem Transparent zu lesen, das die Spieler vor der Partie gegen Hansa Rostock hoch hielten. „Bochum kämpft für Opel“, erwiderten die Fans. Kratzen, Beißen, Grätschen war angesagt. Leider blieb davon während des Spiels nicht mehr allzu viel übrig. Nach der verdienten 0:1-Niederlage gegen den bisherigen Tabellenletzten rutschte der letztjährige Uefa-Cup-Teilnehmer auf Rang 15 ab. Die Krise ist greifbar.

Die Solidaritätsbekundungen waren eine gut gemeinte Reaktion auf die Ankündigung des Opel-Mutterkonzerns Generals Motors 4.000 Stellen im Bochumer Werk streichen, beziehungsweise das Werk ganz zu schließen. Eine Katastrophe für die Stadt, für ganze Region. Doch der Bundesligist schien den Aufruf zur Solidarität irgendwie falsch verstanden zu haben. Nach der Niederlage droht dem VfL seinerseits einer langer, zäher Kampf um die fußballerische Existenz.

Die Mannschaft lieferte vor allem in der ersten Halbzeit ein desolates Bild. Keine Torchancen, kaum gewonnene Zweikämpfe. Bei einer durchschnittlichen Chancenverwertung hätten die Gäste zur Halbzeit Zwei- oder Drei zu Null führen müssen. Nach der Pause wurde das Spiel offener, vor allem wegen der schwächer werdenden Rostocker, ein scheinbar harmloser 25-Meter-Schuss des Schweden Rade Prica sorgte in der 75. Minute allerdings für die Entscheidung. „Da habe ich alt ausgesehen“, sagte der ansonsten gut haltende Torhüter Rein van Duijnhoven. Die Gastgeber konnten nicht mehr reagieren.

Die Stimmung im Stadion war schon vorher gekippt. Als Bochums Angreifer Vratislav Lokvenc in der 65. Minute einen Schuss aus sieben Metern über das Tor setzte, forderten die eigenen Fans seine Auswechslung. „Das habe ich hier noch nie erlebt. Wer sich so verhält, ist kein Fan“, kommentierte Peter Neururer. Dabei war Lokvenc der einzige Bochumer Angreifer, der halbwegs für Gefahr im Bochumer Spiel sorgte. Neuzugang Tommy Bechmann konnte an seine zuletzt gezeigten guten Leistungen nicht anknüpfen, Peter Madsen zeigte sich nach seiner Verletzungspause noch nicht fit. Die für sie vorgesehenen Außenpositionen blieben zudem während des gesamten Spiels verwaist.

Die Wut der Fans macht sich dennoch an Vratislav Lokvenc fest. Irrtümlich als Nachfolger des zu Bayern München gewechselten Publikumslieblings Vahid Hashemian bezeichnet, wird klar, dass Lokvenc dieses Erbe nicht antreten kann. Er ist ein anderer Spielertyp. Hashemian war lauf- und dribbelstark und in Tornähe explosiv. Lokvenc wirkt hüftsteif und antrittsschwach. Im Spiel werden dutzende hohe Bälle auf den Tschechen gespielt. Abnehmer für seine Verlängerungen oder Ablagen findet er keine. Seine starke Technik kann er nicht einsetzen. Das zu Lokvenc passende System wurde noch nicht gefunden. Auch ist es bislang nicht gelungen, die zahlreichen Neuzugänge gewinnbringend ins Mannschaftsgefüge einzubinden.

Peter Neururer wirkt ratlos. Fast während der kompletten 90 Minuten saß er auf seinem Trainerstuhl. Regungslos, ohne Emotionen, die Schultern nach unten gerichtet. Ein ungewohntes Bild. Von Kampfeswillen keine Spur. Auch nicht nach dem Rückstand. „Es wird Zeit, dass der Knoten platzt, sonst setzt hier vielleicht noch ein Umdenken ein“, sagte Neururer nach dem Spiel. Das Umdenken bezieht er auf das Umfeld und nicht auf das System. „Eine Krise sehe ich zwar noch nicht, aber uns fehlen die Punkte“, sorgt sich Neururer um die Perspektive.

Doch die fehlenden Punkte wird das Team in dieser Form kaum zurückholen. Zu leblos und apathisch wirkten die Spieler. Nirgends jemand zu erkennen, der Mannschaft, Verantwortliche und Umfeld aus der Depression heraus führen kann. Es scheint, als hätten die Negativerlebnisse der letzten Wochen, vom unglücklichen Aus im DFB-Pokal bis zum dramatischen Ausscheiden im Uefa-Cup, irreparable Schäden im Gesamtgefüge VfL Bochum verursacht. Anders sind sowohl die Leistungen der Spieler, als auch das mehr als unsensible und aggressive Verhalten der Fans nicht erklärbar. Der vor Monaten überschwänglich gefeierte Uefa-Cup-Einzug erweist sich als Bumerang. Und die Opelaner müssen sich die Unterstützung wohl woanders holen. Der VfL hat momentan seine eigenen Probleme.