Der Paradiesvogel von Karstadt

Früher war Jörg Howe Chefredakteur bei Sat 1. Seit acht Monaten ist er die Stimme des angeschlagenen KarstadtQuelle-Konzerns und immer noch ein bekennender „Fernseh-Fuzzi“: In seinem Büro flimmern elf Fernseher

Jörg Howe ist abhängig. Als der 47-Jährige im März diesen Jahres Sprecher des Essener KarstadtQuelle-Konzerns wurde, ließ er zunächst elf Fernseher in sein Büro schleppen. Seither flimmern die Kisten Tag für Tag stumm vor sich hin. „Ich bin halt ein Fernseh-Fuzzi, ein alter News-Junky“, sagt Howe, der von Sat 1, dem Sender der Unentschlossenheit, zum Kaufhaus-Riesen kam. Meistens schaue er Nachrichten. „Nur ab und zu mache ich Mucke an, wenn auf VIVA oder MTV was Gutes läuft.“

Doch weder für Mucke noch für Nachrichten hatte Howe in den vergangenen Wochen wirklich Zeit. Wenn er nicht gerade bei Karstadt-Krisensitzungen ausharrte, stand er selbst vor der Kamera und bediente seine ehemaligen Kollegen mit News über die Misere seines Arbeitgebers. „Handwerk“, nennt Howe das und hört sich dabei an wie immer: kühl, kalkuliert, betont gelassen. Die Situation kann noch so kompliziert sein, der Medienmann bewahrt stets die Facon – mal im adretten Zwirn, mal volksnah ohne Sakko. Wenn man sieben Jahre Privatfernsehen gemacht habe, erschrecke einen nichts mehr, weiß Howe.

Dass er von Sat 1, wo er Chefredakteur war, zu Karstadt wechselte, hatte seine Gründe: Er habe ein „interessantes Angebot“ bekommen, sagt er und will damit natürlich nicht zu verstehen geben, dass er ein ähnlich herrschaftliches Gehalt einsackt wie seine Chefs. „Der Job ist interessant“, unterstreicht er mildernd. Dass er irgendwann wieder zurück zum TV geht, schließt er hingegen nicht aus.

Das Fernsehen ist nun mal sein Steckenpferd. In Hamburg geboren, ging Howe nach dem Abitur studieren: Geschichte, Englisch und Erziehungswissenschaften. Danach arbeitete er zunächst für die Nachrichtenagentur dpa und für den Norddeutschen Rundfunk, wo er später einen leitenden Posten inne hatte. Nach mehreren Stationen bei verschiedenen Sendern berief man ihn zu Sat 1, wo er unter anderem das Boulevard-Magazin „blitz“ verbrochen hat.

Diese Laufbahn bescherte dem Macher einen besonderen Status bei Karstadt. „Ich bin der Paradiesvogel des Unternehmens, weil ich vom Fernsehen komme“, sagt Howe ganz uneitel. Was ihm die Erfahrung bringe? „Ich habe einen ganz anderen Blick.“ Gewiss, den hat er. So wusste er stets, wie er die Konzern-Krise aufzubereiten hat, damit die Medienmaschine ordentlich ins Rotieren gerät. Dabei tendierte er zuweilen zur unnötigen Dramatik. Auch wenn er heute sagt, er habe Wörter wie „Insolvenz“ immer vermieden: „Man soll den Konzern ja nicht da rein quatschen.“

Und jetzt? Was macht ein Mann wie Jörg Howe, nachdem das Gröbste bei Karstadt überstanden ist? Lesen? Golfen etwa? Nein, nichts von alledem. Der Familienvater ist ein Nachtmensch. Seit zehn Jahren „sehe ich gerne nach Fledermäusen“, sagt er schwelgerisch. Und wenn die Tierchen gerade mal nicht durch die Lüfte zappeln, dann macht er wieder Mucke an: guten Jazz – am liebsten Chat Baker. BORIS R. ROSENKRANZ