fußpflege unter der grasnarbe
: Es grünt so grün

Es blinkt immer in der gleichen, eintönigen Frequenz auf ihrem Bildschirm, das „grüne Grün“. Aber zum Glück steht es nicht unter Wasser. Das konnte man von anderen in den letzten Wochen ja nicht sagen. Das Dortmunder Grün zum Beispiel, das war vor zwei Wochen zum zweiten Mal nicht bespielbar für den FC St. Pauli. Das „grüne Grün“, wie seine Besitzerin es genannt hat, stolze 24 mal 36 Zentimeter groß, in direkter Nähe zur Mittellinie am Millerntor, mit freiem Blick auf den Kuchenblock, ist tadellos in Schuss, denn „oben lacht die Sonne“. Die Photosynthese läuft auf Hochtouren, dank Krista Sagers Rasenmotto.

Krista „grüner Daumen“ Sager, im Nebenjob Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hat ihn noch nie gestreichelt, ihn nicht einmal betreten. Sie würde ihn nicht erkennen, wenn sie vor ihm stünde, ihrem Stück besten Fußballrasen, sagt sie. Aber im Herzen ist sie immer bei ihm – wenn Sebastian Wojcik über ihn hinwegstürmt, oder Fabio Morena dem Gegenspieler in die Beine grätscht. Und wenn es ihm wirklich mal nicht gut geht, wird Krista ihn düngen, natürlich nur mit Bio-Dünger, mit bester Biomasse – keine Gülle, das will sie ihren Jungs nicht antun. Sie will ein Weltkulturerbe erhalten, für alle.

Krista Sager ist eine der prominenten Rasenpaten beim FC St. Pauli, genau wie Rotweinschlürfer Günter Grass oder Quasselstrippe Reinhold Beckmann und Dauerlakai Elton. Alle vier gehören zur Start-Elf der Rasenpaten. Und Krista Sager spielt wohl den Ausputzer hinten in der Abwehr, „hart und effektiv“, wie sie sagt, wie damals als junges Mädchen auf dem heimischen Bolzplatz.

35 Euro kostet die Patenschaft für 864 Quadratzentimeter pro Saison. Es ist wieder eine dieser Rettungsaktionen für den FC St. Pauli. In der Saison 2002/2003 waren es die Retter-T-Shirts, jetzt sollen 100.000 der 10 Millionen St. Pauli-Sympathisanten zumindest den Rasen am Millerntor bewahren. Im Gartencenter kostet das Kilo Grassamen für Sport- und Spielrasen 5,11 Euro und reicht für 40 Quadratmeter. Dafür bekommt der Hobbygärtner aber keine Urkunde, keinen Patenpass, keinen Pin, kein Frei-Astra, kein T-Shirt mit einem Stück flauschigem Grün auf der Brust und erst recht keine Packung echten Fußballrasen, wie er auch am Millerntor wächst.

Auch andere, ausgewählte Kollegen will sie für die Gartenarbeit begeistern, die virtuelle Gartenarbeit – ganz ohne Spaten und Harke, ohne Erde unter den Fingernägeln, ohne lästiges Mähen. Per Mausklick wird das Grün winterfest gemacht. Krista Sager hat gerade erst angefangen, sich regelmäßig um ihr Grün zu kümmern. Sie hatte ihren Rasencode verlegt. Jetzt aber, sagt sie, wird sie mehr Rasen kaufen, Patenschaften auch verschenken, an ihren Neffen zum Beispiel. Und sie will die Samen aussäen, die sie für die Patenschaft bekommen hat. Die Schablone mit dem St. Pauli-Logo, durch die er einmal wachsen soll, liegt noch in ihrem Büro. Aber sie hat keinen Platz, keinen eigenen Garten. Vielleicht wird sie ihn irgendwo hinstreuen, wild. Vielleicht wird sie ihn aber auch im Reichstag pflanzen. Im nördlichen Innenhof steht ein gärtnerisch nicht betreutes, frei wucherndes Biotop mit der Inschrift „Der Bevölkerung“. Für die Installation von Hans Haacke haben zahlreiche Bundestagsabgeordnete Erde aus ihrem Wahlkreisen ausgestreut. Ein bisschen St. Pauli-Grün würde sich dort gut machen, glaubt Krista Sager. Vielleicht bringt es ihren Jungs ja Glück. Auch die Kicker könnten mal wieder etwas Sonne vertragen, am oberen Ende der Tabelle – denn oben lacht die Sonne, nicht nur für Kristas „grünes Grün“.