Alles in Butter aufm Kutter!

Sehnsuchtsort, Urlaubsziel, unüberwindbare Grenze: Die kulturalistische Linke feierte am Wochenende groß das Mittelmeer – mit Schorsch Kamerun als Chefstuart, der Kölner Band von Spar und einer „jakobinisch-plebejischen“ Schaumparty

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Es hatte eine rauschende Ballnacht werden sollen: Negri, Multitude, schicke Vorträge, Bands, DJs und eine Mittelmeerschaumparty – was kann schöner sein, als wenn Theorie und Club beim Flanieren in der heimeligen Volksbühne aufs Herrlichste zusammenkommen?

Aber am Freitagabend war irgendwie der Wurm drin, alles war anders. Die meisten Besucher hatten den vorangestellten Theorieblock, den Vortrag der Stadtsoziologin Saskia Sassen (siehe Seite 15 dieser Ausgabe), ausfallen lassen und kamen erst zum Showprogramm. Im Sternfoyer warten die üblichen Irritationsmomente: Liegestühle, Stewardessen und eine Performance-Ecke, die „Affeninsel“, in der sich zwei Frauen, vielleicht Palmendarstellerinnen, in engen grünen Ganzkörperkostümen tummeln. Die Wände sind mit kopierten Zetteln voll gepflastert: „Diplomatenpass“, „Eisbein“, „sichere Drittstaaten“ steht darauf. Der informierte Volksbühnenbesucher weiß natürlich, dass es an diesem Abend thematisch um das Mittelmeer als prekärem Raum geht, nämlich einerseits Sehnsuchtsort, Urlaubsziel, andererseits unüberwindbare Grenze, Schauplatz von Flüchtlingsdramen, und dass Schorsch Kamerun eine „jakobinisch-plebejische Schaumparty flankiert von krassen Visuals und spontaneistischen Interventionen“ zum Thema geplant hatte. Als Kamerun die Bühne in weißer Uniform und in seiner Funktion als Chefsteward Jean betritt, hält sich die Begeisterung aber in Grenzen, das große Haus ist nur locker gefüllt und die Zuschauer sind irgendwie unwillig.

Dabei soll man doch am Rollenspiel teilnehmen, imaginieren, man sei nun auf einem Dampfer, auf einer Reise ins Mittelmeer … Erst eine Filmeinspielung, aufgenommen am Zürichsee, kann die Aufmerksamkeit bündeln. Denn dort steht wiederum Kamerun, diesmal als deutsche Karikatur mit Pickelhaube und Militärstiefeln, schwört auf die Deutschquote, pflanzt eine deutsche Musikereiche in den See und spricht in einem sehr lustigen Vortrag über die Nation, die Quote, die Musik und die Abverkaufspflicht von deutschen Produkten. Dies führte endlich zu Begeisterung im Publikum, wobei der fehlende Bezug zur Mittelmeerthematik gar nicht weiter auffällt.

Dann ist die Kölner Band von Spar dran. Viel Gutes hatte man über sie im Vorfeld gehört und gelesen, und ihr Auftritt wurde von vielen mit Spannung erwartet. Aber es war kein guter Moment für von Spar. Nach dem vorhergehenden Aktionismus hätte man nun gerne etwas mit Inhalt gesehen und gehört, aber von Spar haben sich irgendwie angepasst, berserkern in metallic-blauen Knitteroveralls auf die Bühne, energievoll zwar, auch interessant, aber der schlechte Sound macht alles zunichte. Das Schlagzeug knallt brutal, nicht einmal die Refrainzeilen kann man verstehen, alles vermatscht zu einem Gedröhne.

Weiter geht es im Programm. Es werden Schlauchboote aufgeblasen, drei Männer singen zur akustischen Gitarre: „Für eine Fahrt ins Mittelmeer geb ich all meine Mittel her“. Schließlich fordert Käpt’n Kamerun dazu auf, alle Handykarten rauszugeben und den Körper in die Schaumparty zu werfen. Dann endlich hebt sich der Vorhang – die Schaumparty auf der Hinterbühne ist eröffnet, Erobique, erhöht am Keyboard, lockt mit sirenengleichem Gesang die Menschen zum Schaum und ein großer Pinguin winkt sie heran. Ein wirklich sehr poetisches Bild, visuell der Höhepunkt des Abends. In einem überdimensionierten Badezuber aus Sperrholz bewegen sich zwei flötenspielende Badenixen im Schaum, über der Szenerie laufen die versprochenen „krassen visuals“: Bilder von sporttreibenden Menschen, abwechselnd auch Galeerensklaven, darüber tourismuskritische Worteinblendungen – Libanönchen, Beirutchen.

So vergeht der Abend, und während im großen Haus bald nur noch eine handvoll Unermüdlicher im Schaum tobt, steht der Großteil des Publikums längst im Sternfoyer herum. Jan Delay legt auf, und zum ersten Mal an diesem Abend ist es ein bisschen schön: rumstehen, reden, Leute treffen, trinken, erzählen. Ab und zu tauchen noch ein paar Leute mit nassen Turnschuhen und Schaumkronen auf dem Kopf auf, andere dagegen starren nur noch auf den Bierschaum in ihren Plastikbechern. Das war also die Mittelmeer-Schaumparty.