Der Nachhall des Protests

Der Erfolg der Demo hat den Veranstaltern Mut gemacht – lässt sie aber unschlüssig in die Zukunft blicken. Sie wissen: Auf der Straße zu protestieren reicht nicht aus. Es wird Zeit für Gremienarbeit

von ANNA LEHMANN

Der Platz am Gendarmenmarkt ist wieder leer, nur ein paar Touristen bummeln herum. Nichts erinnert an die 100.000 Demonstranten, die sich am Sonnabend hier gedrängelt, die gegen den Sozialabbau und die Reformpläne der Bundesregierung protestiert haben. Zwar ruft die Internetseite der UnterstützerInnen immer noch zur Demo auf, aber die, die dabei waren, schwelgen schon in Erinnerungen.

„Dit war natürlich unser Ding“, schwärmt Mario Zeidler von der Volkssolidarität. In Berlin hat der Verband 33.000 Mitglieder, da war man „dicke da“ und marschierte in erster Linie gegen die geplante Nullrunde bei Renten. Eine langfristige Strategie gibt es jedoch nicht. „Wir machen vor allem Ad-hoc-Aktionen, reagieren auf die aktuelle Politik“, seufzt Zeidler. Doch der Druck von unten wachse. „Die Mitgliederversammlungen sind extrem politisch geworden.

Arno Hager von der IG Metall lässt sich nicht unter Druck setzen. Erst mal sehen, was auf der Ortsvorstandssitzung am Abend herauskomme, dann könne er über konkrete Projekte Auskunft geben. Aber so viel kann er verraten: „Wir werden jetzt schauen, inwieweit wir in den Betrieben mobilisieren können.“

Auch Rainer Knerler vom Bezirksverband der IG BAU ist bereits in der „Umsetzungsphase“: „Die Demo war ein Auftakt, aber auch der Höhepunkt. Solche Demos sind nicht beliebig wiederholbar.“ Jetzt komme die harte Klein-Klein-Arbeit in Gremien. Man wolle sich dabei dafür einsetzen, dass der Lohn, zu dem Arbeitslose Arbeit annehmen müssten, dem Tariflohn entspreche. Aber: „Auf eine komplette Änderung setze ich keine Hoffnung, der Zug ist abgefahren.“

Das Berliner Sozialforum will mit den Gewerkschaften ins Gespräch kommen. Michael Prütz ist auf die heutige DGB-Vorstandssitzung gespannt. „Mal sehen, welche Reaktion die Demonstration dort hervorgerufen hat.“ Das Sozialforum ist Teil des Anti-Hartz-Bündnisses, das im Frühjahr dieses Jahres von Bürgerinitiativen, Gewerkschaftslinken und Einzelpersonen gegründet worden ist. Es will „Widerstandsfronten“ aufbauen gegen die Privatisierungspläne des Senats, doch für Gegenkonzepte sei es noch zu früh. „Jetzt ist es erst mal wichtig, die Akteure miteinander zu vernetzten und an einen Tisch zu bekommen.“

Auch den Globalisierungskritikern von Attac geht es in erster Linie um Vernetzung. „Jetzt beginnen eigentlich erst die Diskussionen darüber, was folgt“, sagt Birger Scholz.

Für den PDS-nahen Jugendverband sol.id war die Demo der Startschuss zu einer dreiwöchigen Kampagne mit Seminaren und einem Ideen-wettbewerb zur „Agenda 2010“. „Wir haben mal nachgefragt, was hinter dem Namen steckt“, erläutert Sascha Wagener. „Das Jahr 2010 spielt jedenfalls keine spezielle Rolle, es ist einfach nur ein griffiger Name, der sich einprägt.“ Deshalb haben sie dazu aufgerufen, Erklärungen unter www.zwei tausendzehen.de zu veröffentlichen. Der erste Preis ist ein Abendessen mit Gregor Gysi, sol.id kocht. Auch eine Art, Dampf zu machen.