Guido Knopp in Farbe!

Bei der filmischen Aufarbeitung und unterhaltsamen Zubereitung historischer Themen gilt längst: Quote macht frei, Tabus gibt es keine mehr. Und die BBC plant bereits den Sechsteiler „Auschwitz“

VON WILFRIED URBE

Wie amüsant dürfen Dokumentationen sein? Die Diskussion darüber ist aktueller denn je, denn noch nie waren Hitler & Co so unterhaltsam: Guido Knopp hat es vorgemacht, andere gehen noch weiter, um Geschichte für ein Massenpublikum aufzubereiten. Und die Grenzen zwischen den Genres verschwimmen mehr und mehr: „Der Untergang“, „Stauffenberg“ oder „Im Schatten der Macht“ spielen mit fiktionalen und dokumentarischen Elementen.

„Das Wunder von Bern“ sorgte bereits als Kinofilm und Fernsehdokumentation für Furore. Andere Dokumentationen verwenden nachgespielte Szenen. Viele dieser Produktionen waren auch für den deutschen Fernsehpreis nominiert. „Das ist eine Art neues Rock-’n’-Roll-TV“, kommentierte Paterson Ferns, Präsident und Geschäftsführer des renommierten internationalen Banff-Fernsehfestivals, den weltweiten Erfolg historischer Stoffe in unzähligen Filmen, Mini-Serien und Dokumentationen.

Vorreiter in diesem Segment ist allerdings die BBC. Computeranimationen, der Einsatz von Schauspielern, all das geht manchen zu weit, besonders wenn mehr Fantasie als journalistisch fundierte Informationen die Basis bildet.

Das kritisierten Journalisten und Wissenschaftler bereits bei den Pyramiden oder der Sendung über den Untergang Pompejis und befürchten nun, dass die Engländer übers Ziel hinausschießen: Zurzeit wird am Sechsteiler „Auschwitz“ gearbeitet, der zum Jahrestag der Befreiung 2005 im Fernsehen laufen soll. „Hier wird die wahre Geschichte erzählt“, kündigt BBC-Sprecher Walter Hellebrand an, „wir verwenden Szenen mit Schauspielern, Computergrafiken und Interviews mit Zeitzeugen.“

Michael Kloft von Spiegel TV: „Die unterhaltsame Aufbereitung für die Zuschauer ist natürlich in Ordnung, wenn die Inhalte journalistisch und historisch zu vertreten sind – bei vielen BBC-Produktionen hat man den Eindruck, dass es auch ganz anders gewesen sein könnte.“

Auch bei broadview.tv („Stalingrad“, „Das Wunder von Bern“) steht die sorgfältige Recherche am Anfang jeder Arbeit.

Produzent Leopold Hoesch betont allerdings: „Eine umfassende Information über ein bestimmtes Thema erhält man wahrscheinlich nur über eine Habilitationsschrift. Die ist aber nur für eine kleine Minderheit geeignet. Je populärer die Darbietung, desto mehr Menschen erreiche ich.“ Dabei setzt Hoesch begrifflich eher auf Storytelling denn Unterhaltung, frei nach Billy Wilders Gebot: „Du sollst nicht langweilen!“

Und so bewegt sich die Gesellschaft auf einen Zustand zu, in dem Wissen nur noch über das Vehikel Unterhaltung vermittelt werden kann, wie Medienwissenschaftler Norbert Bolz betont. Rund ein Drittel der Menschen zum Beispiel versteht die „Tagesschau“ nicht mehr.

Bolz: „Die Welt der Aufklärung sowie der Darstellung in Zusammenhängen und die Welt des Entertainments sind grundverschieden. Techniken der Personalisierung wie auch der Emotionalisierung und Sentimentalisierung sind Grundlage, wenn die Massenmedien Inhalte vermitteln wollen.“

Abstraktion sei für das Fernsehen ungeeignet. Das Publikum schalte den Fernseher nicht ein, um zu studieren, sondern um sich zu entspannen oder unterhalten zu werden. Allerdings, so der Medienwissenschaftler: „Da, wo im Genre Dokumentation Fiktion und Dokumentation verschwimmen, muss dies auch kenntlich gemacht werden.“ Die fiktionale Rekonstruktion als solche sei nicht verwerflich, zumal sie in der Geschichtswissenschaft selbst Anwendung findet. Dennoch gibt es in diesem Genre riesige qualitative Unterschiede.

Dass man ebenso große Zuschauerschichten ansprechen muss, davon ist auch Kloft überzeugt: „Die kann man ja auf unterhaltsame Art reinlocken, muss sie dann aber mit journalistisch korrekten Informationen versorgen.“

Der Dokumentarfilmer verweist auf die Reihe „Das Dritte Reich in Farbe“. Da sei „das Interesse auch besonders bei jüngeren Schichten sehr groß, es gab Briefe und E-Mails, allein durch den Aspekt Farbe, und so konnten wir historische Wirklichkeit vermitteln“, freut sich Kloft. Dabei sollte es aber auch „stilistisch gut gemacht und inhaltlich aufrichtig sein – wenn die Inhalte total verschwimmen und die Informationen, die darin liegen, nicht mehr erkennbar sind, dann ist es unseriös.“