Fünfunddreißig Anklagen gegen al-Qaida

Untersuchungsrichter Baltasar Garzón geht nicht nur gegen Mamoun Darkazanli vor. Mitangeklagt ist auch Ussama Bin Laden

FREIBURG taz ■ Geplant ist ein Mammutprozess. Gegen immerhin 35 vermeintliche Al-Qaida-Mitglieder hat der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón im September vor einem Jahr Anklage erhoben. Der bekannteste von ihnen ist kein Geringerer als Ussama Bin Laden. Mit dabei ist aber auch der in Spanien lebende Al-Dschasira-Journalist Taisir Aluni. Die Angeklagten sollen in terroristische Aktivitäten verwickelt sein, zehn von ihnen wird konkret eine Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 vorgeworfen.

Der deutsch-syrische Kaufmann Mamoun Darkazanli soll ein Intimus von Abu Dahdah gewesen sein, dem Führer der spanischen Al-Qaida-Zelle, die im November 2001 zerschlagen wurde. Seitdem sitzt Abu Dahdah (bürgerlicher Name: Imad Eddin Barakat Yarkas) in Haft.

Ein von der spanischen Polizei beschlagnahmtes Foto soll Darkazanli und Abu Dahdah bewaffnet auf einem Schießstand in Deutschland zeigen. Mehrfach soll ihn Darkazanli auch in Spanien besucht haben. Oft wurde außerdem telefoniert. Ein verdächtiges Gespräch im August 2001, also kurz vor den Anschlägen, handelte von „englischen Herrenpullovern“. Es wird vermutet, dass die beiden jedoch tatsächlich von gefälschten Ausweispapieren sprachen.

Nach Garzóns Ermittlungen waren die spanischen „Krieger Gottes“ wesentlich in die Vorbereitung der Attentate von New York und Washington einbezogen. Unter anderem soll auch in Spanien der genaue Termin für das Blutbad festgelegt worden sein. Welche Rolle Mamoun Darkazanli aber bei den Vorbereitungen für den 11. September gespielt hat, ist nach Medienberichten allerdings auch in dem 700-seitigen Untersuchungsbericht von Garzón nicht erläutert.

Bekannt ist dagegen, dass sich Mohammed Atta, der Kopf der Hamburger Terrorzelle vom 8. bis 16. Juli in Spanien aufhielt. Auch Chefkoordinator Ramsi Binalshibh, der spätere Pilot Marwan al-Shehhi sowie der Ersatzpilot Said Bahaji sollen dabei gewesen sein. Zu letzten Absprachen trafen sie sich vermutlich in der Privatwohnung eines spanischen Al-Qaida-Mitglieds.

Der nicht uneitle Baltasar Garzón ist Untersuchungsrichter am Nationalen Gerichtshof in Madrid und versteht sich als Weltgewissen. Über die spanischen Grenzen hinaus bekannt wurde er 1998, als er einen internationalen Haftbefehl gegen den chilenischen Exdiktator Augusto Pinochet ausstellte, der dazu führte, dass Pinochet nach einer Operation in London festgenommen wurde und monatelang in Auslieferungshaft saß. Ein Prozess in Chile kam nur wegen Pinochets Gebrechlichkeit nicht zustande. Auch im Falle der argentinischen Foltergeneräle brachte Garzóns Auslieferungsersuchen die Dinge ins Laufen. In Buenos Aires wurden die Amnestiegesetze aufgehoben.

Bei Mamoun Darkazanli scheint Garzón nun die Lücken des deutschen Strafrechts in Spanien ausgleichen zu wollen (siehe oben). Warum er allerdings Bin Laden angeklagt hat, bleibt rätselhaft. Um dessen Strafverfolgung muss man sich vermutlich keine Sorgen machen. Die spanische Zeitung El País warf Garzón deshalb auch vor, es gehe ihm nur um die Publicity. CHRISTIAN RATH