Darkazanli findet seinen Richter

Lang wurde ermittelt. Doch die Staatsanwälte hatten gegen das mutmaßliche Al-Qaida-Mitglied wenig in der Hand. Für einen Prozess in Spanien reicht es

Seit drei Jahren ermittelt Karlsruhe nun schon gegen Darkazanli – ohne Ergebnis

VON CHRISTIAN RATH

Seit über sechs Jahren ist Mamoun Darkazanli im Visier der deutschen Ermittlungsbehörden. Jetzt soll ihm der Prozess gemacht werden – in Spanien. Am Freitagnachmittag wurde der deutschsyrische Kaufmann in Hamburg vor seiner Wohnung festgenommen. Jetzt befindet er sich in vorläufiger Auslieferungshaft.

Mit dem Zugriff musste Darkazanli, der keinen Widerstand leistete, rechnen. Schon vor einem Jahr hat der Madrider Untersuchungsrichter Baltasar Garzón einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erwirkt. Darkazanli wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – al-Qaida – vorgeworfen. Ihm drohen in Spanien bis zu 12 Jahre Haft.

Bisher konnte Darkazanli nicht ausgeliefert werden, weil der mit einer deutschen Frau verheiratete gebürtige Syrer auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der heute 46-Jährige kam als Mitglied der in Syrien verfolgten Muslimbruderschaft in den 80er-Jahren nach Deutschland und betrieb einen kleinen Import-Export-Handel. Der europäische Haftbefehl (siehe Kasten) erlaubt nun aber auch seine Auslieferung.

In Deutschland hat die Justiz bisher zwar mehrere Ermittlungsverfahren gegen Darkazanli eingeleitet, bisher aber stets ohne konkretes Ergebnis. So ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft seit 1996 wegen Geldwäschevorwürfen. Darkazanli soll 1993 das Küstenmotorschiff „Jennifer“ gekauft haben. Die Einnahmen aus dem Frachtgeschäft sollen al-Qaida zugute gekommen sein. Darkazanli bestreitet aber jede Beziehung zu dem Terrornetzwerk.

Erneut ins Fadenkreuz der Ermittler geriet der Hamburger Kaufmann, als die Polizei 1998 bei München den deutschen Finanz-Chef von al-Qaida, den Sudanesen Mamduh Mahmud Salim, festnahm. Es stellte sich heraus, dass Salim ein Konto bei einer Hamburger Bank hatte, für das auch Darkazanli eine Vollmacht besaß. Der Deutschsyrer erklärte, das Konto sei angelegt worden, weil er Salim beim Kauf eines größeren Funksenders helfen wollte.

Doch die Zufälle häuften sich. Einer der Attentäter auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, Wadih el-Hage, leitete eine Vielzahl von Tarnfirmen, die al-Qaida zugeschrieben wurden. Für eine der Firmen gab el-Hage auf seiner Visitenkarte die Hamburger Adresse von Darkazanli an.

Wegen all dieser Verdachtsmomente wurde Darkazanli schon vor dem 11. September von deutschen Behörden überwacht, ohne Ergebnis. Auf Drängen der CIA versuchte der Hamburger Verfassungsschutz sogar zweimal, den Deutschsyrer als Spitzel anzuwerben. Auch das ohne Erfolg, Darkazanli sagte nur, er wisse nichts.

Etwa zu dieser Zeit forderte auch der damalige BKA-Chef Ulrich Kersten von Generalbundesanwalt Kay Nehm, dass dieser ein „Strukturermittlungsverfahren“ gegen Darkazanli aufnehmen solle. Nehm lehnte ab, nachdem der BKA-Wunsch in zwei Referaten seines Hauses geprüft worden war. „Wir hatten keinen konkreten Tatverdacht, der ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gerechtfertigt hätte“, erklärte Nehm später. Die Mitgliedschaft und Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation wie al-Qaida war damals in Deutschland noch nicht strafbar. Diese Lücke wurde erst 2002 durch den neuen Paragrafen 129b im Strafgesetzbuch geschlossen. Nehm glaubt auch nicht, dass damals eine Chance verpasst wurde, die Anschläge auf das World Trade Center zu verhindern. Immerhin habe es ja das Frankfurter Geldwäscheverfahren gegeben, bei dem auch nichts herausgekommen sei.

Nach dem 11. September erhöhte sich der Druck auf Darkazanli. Es wurde bekannt, dass er einige der Hamburger Attentäter persönlich kannte und mit ihnen gemeinsam in der Al-Quds-Moschee am Hamburger Steindamm betete. Schon zwei Wochen nach den Anschlägen sperrten US-Behörden Konten der Hamburger Firma.

Der Druck auf Kay Nehm nahm nun massiv zu. Im Oktober 2001 eröffnete deshalb auch die Bundesanwaltschaft (BAW) ein Ermittlungsverfahren gegen Darkazanli – wegen Verdachts auf Beteiligung an den Anschlägen von New York und Washington. Seit drei Jahren wird nun ermittelt – wieder ohne Ergebnis. „Er hatte mit den USA-Anschlägen nachweislich nichts zu tun“, war jüngst in BAW-Kreisen zu hören. Auch Anfragen an die USA hätten nichts ergeben. Das Karlsruher Ermittlungsverfahren gegen Darkazanli stand schon seit Monaten kurz vor der Einstellung.

Vermutlich hat auch Untersuchungsrichter Baltasar Garzón nicht mehr in der Hand als Kay Nehm. Doch die Rechtslage in Spanien ist anders als die in Deutschland. Dort war die Unterstützung ausländischer Terrorgruppen schon vor 2002 strafbar. Die vielfältige Einbindung von Darkazanli in das Netz der Al-Qaida-Unterstützer kann ihm hier durchaus zur Last gelegt werden.

Darkazanlis Hamburger Anwalt Andreas Beurskens hält dies jedoch für unzulässig. „Kann ein Deutscher für eine Tat, die zum Tatzeitpunkt in Deutschland nicht strafbar war, ins Ausland ausgeliefert und dort belangt werden?“, fragt er. Beurkens sieht darin einen „Prüffall für die Verfassungsmäßigkeit“ des europäischen Haftbefehls und will den Fall notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht tragen. Die Erfolgsaussichten sind allerdings unsicher, schließlich hatte Darkazanli durchaus Kontakte zur spanischen Al-Qaida-Zelle (siehe Artikel unten) und konnte daher die spanische Rechtslage nicht einfach ignorieren.

Da Darkazanli seiner Auslieferung widersprochen hat, muss nun das Hamburger Oberlandesgericht über deren rechtliche Zulässigkeit entscheiden. Wenn diese gegeben ist, entscheidet der Hamburger Generalstaatsanwalt nach Anhörung der Bundesregierung, ob er die Auslieferung bewilligt.

Mitarbeit: Astrid Geisler