Rügen haben kurze Beine

Der Fall Hohmann: CDU-Vorstand rügt die antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten. Grüne halten Maßnahme für unzureichend. Zentralrat der Juden fordert Ausschluss aus Fraktion

BERLIN taz ■ Die CDU ignoriert den Zentralrat der Juden. Trotz einer Aufforderung von Zentralratspräsident Paul Spiegel, den Abgeordneten Martin Hohmann aus der CDU-Bundestagsfraktion auszuschließen, beließen es Präsidium und Bundesvorstand der CDU gestern bei einer „Rüge“ für den hessischen Politiker, der von den Juden als „Tätervolk“ gesprochen hatte. Hohmann darf in der Fraktion und der Partei bleiben. „Wir gehen davon aus und erwarten, dass sich solche Äußerungen nicht wiederholen“, erklärte CDU-Chefin Angela Merkel. Was Hohmann in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt habe, sei „unerträglich“.

Die bisher einzige personelle Konsequenz: Hohmann wird die CDU nicht mehr im Innenausschuss des Bundestags vertreten, wo er Berichterstatter für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern war. Der 55-Jährige soll stattdessen künftig im Umweltausschuss mitarbeiten.

Merkels Entscheidung für Hohmanns Verbleib in der Fraktion fand im Vorstand Zustimmung. „Man muss jedem Menschen die Chance lassen, glaubwürdige Reue zu zeigen“, sagte der frühere Berliner CDU-Chef Christoph Stölzl der taz. Auch Vorstandsmitglied Karl-Josef Laumann begrüßte das milde Vorgehen der Parteispitze: „Man sollte keine Märtyrer schaffen.“

Nicht allen im Vorstand war offenbar klar, worüber sie gestern berieten. Einige erkundigten sich in der Sitzung nach dem Inhalt von Hohmanns Rede, die seit Tagen auf der ARD-Homepage im Internet nachzulesen ist. Es wurde bemängelt, berichtete ein Teilnehmer, dass der Text nicht im Vorstand ausgeteilt wurde. Hessens Ministerpräsident Roland Koch habe dazu erklärt, man wolle „diesen Unsinn nicht noch weiterverbreiten“.

Grünen-Chefin Angelika Beer bezeichnete die Sanktionen gegen Hohmann als „völlig unzureichend“. Es müsste eine „gesellschaftliche Selbstverständlichkeit“ sein, ihn aus der Fraktion auszuschließen. Der Fall zeige außerdem, dass Rechtsextremismus ein Problem der ganzen Gesellschaft sei. Beer verwies darauf, dass Hohmanns Rede in seinem Wahlkreis wochenlang ohne Reaktion geblieben sei. Der Abgeordnete hatte am 3. Oktober unter anderem gesagt, man könne die Juden „mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen“.

Gestern teilte er mit, er akzeptiere die Rüge der Parteiführung. „Ich distanziere mich von den umstrittenen Passagen dieser Rede“, erklärte Hohmann und fügte hinzu: „Ich habe mich bereits öffentlich entschuldigt.“

LUKAS WALLRAFF, JENS KÖNIG

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