Der große Mann in Schwarz

Auch vor der Kamera stets ein Ausbund an Glaubwürdigkeit – das B-Movie verabschiedet sich von Johnny Cash mit einigen großartigen Filmen mit dem und über den herausragenden Country-Sänger

von Matthias Seeberg

Eine der schönen Seiten der Trauer ist die Erinnerung. Im Fall des am 12. September dieses Jahres verstorbenen Johnny Cash bedeutet das allerdings, sich durch ein halbes Jahrhundert Rock‘n‘Roll- und Countrygeschichte zu hören, sich mit den Widersprüchen des amerikanischen Selbstverständnisses auseinander zu setzen und dem Unterschied zwischen Mythos und Realität nachzuspüren.

Eine auch für Cineasten interessante Gelegenheit dieser komplexen Form der Trauerarbeit bietet das Novemberprogramm des B-Movie. Mit drei abendfüllenden Spielfilmen, der Aufzeichnung seines dritten Konzertes im San Quentin State Prison, dem Porträt Johnny Cash – A Man, His World, His Music und einigen Ausschnitten aus Interviews und Cashs eigener Fernsehshow hat das Kino einen speziellen Abschiedsgruß an den Mann in Schwarz formuliert.

Die in ihren Themen und Stilen ganz unterschiedlichen Filme bestätigen neben den Erwartungen der Cash-Fans auch einen Verdacht, der sich schon beim Hören des kaum überschaubaren Oeuvres, der Lektüre von Cashs Autobiografie oder Franz Doblers empfehlenswerter Studie The Beast in Me aufdrängte: Die in Zeiten postmoderner Kulturkritik in verrufenen Kategorien Authentizität und Wahrhaftigkeit haben in der Person und im Schaffen Johnny Cashs ihre Bedeutung nie verloren.

Ob in der Rolle des vorbestraften Country-Sängers Tommy Brown, der in der Colombo-Folge Swan Song aus dem Jahr 1974 seine Ehefrau wegen ihres religiösen Fanatismus umbringt oder als finster dreinschauender Revolverheld in Lamont Johnsons A Gunfight (1971), einem in seiner existentialistischen Kälte an den Zynismus Sam Peckinpahs erinnernden Western – es ist die von Dunkelheit umhüllte Virilität des Man in Black, die den Filmen ihre Aussagekraft verleiht.

Trotz der Aussage seines Sohnes John Carter Cash, seinem Vater sei es bei der Schauspielerei lediglich um den Spaß an der Arbeit gegangen, spiegelt sich in den von Johnny Cash verkörperten Charakteren ein breites Spektrum seiner eigenen Persönlichkeit wieder. Sei es der in der Abendsonne verschwindende Lonely Rider oder der bibeltreue Farmer und Familienvater, den er in The Last Days of Frank and Jesse James an der Seite von Kris Kristofferson als größten Outlaw aller Zeiten spielt: Cash versieht diese Figuren mit einer ungeheuren Glaubwürdigkeit. Es ist ein wenig wie mit dem Cover des 1986 mit Waylon Jennings zusammen aufgenommenen Albums Heroes, auf dem die beiden als schwarz gekleidete Gunfighter zu sehen sind. Bei allem Schalk, der bei dieser zum Klischee geronnenen Pose mitgespielt haben mag, verbirgt sich dahinter letztlich alles andere als bloße Ironie.

Das Johnny Cash kein als Rebell verkleideter Entertainer war, lässt sich am besten in der Dokumentation seines Knastauftritts in San Quentin beobachten. Neben der Freude und der Begeisterung, die Cash mit seiner Show bei den Insassen hervorruft, wusste er um die tiefe Verzweiflung seiner Zuhörer. Mit der gleichen tiefen Verzweiflung wird man ihn und seine Musik auch zukünftig verbinden.

Johnny Cash at San Quentin, morgen + 9.11., 20.30 Uhr, 8.11., 20.30 + 22.30 Uhr; A Gunfight, 15.11., 22.30 Uhr, 16.11., 20.30 Uhr; Colombo: Swan Song, 20. + 23.11., 20.30. Uhr, 22.11., 20.30 + 22.30 Uhr; Johnny Cash – A Man, His World, His Music, 13., 15. + 30.11., 20.30 Uhr; The Last Days of Frank and Jesse James, 27.11., 20.30 Uhr, 29.11., 20.30 + 22.30 Uhr