village voice
: Ey Alter, ist doch alles witzig gemeint, sagen Terrorgruppe und singen fundamental

Da weiß man, was man hat. Und die, die es noch nicht wissen, die erfahren es schnell. Ihr siebtes Album „Fundamental“ eröffnet die Terrorgruppe mit einem schlichten Gitarrenakkord, elektrisch verstärkt, mittelschwer verzerrt. Es ist der seit den späten Siebzigerjahren abgesicherte klassische Sound einer Punk-Gitarre, der flugs ergänzt wird von Bass, Schlagzeug und Gesang, die sich um eine rebellische Pose mühen, wie sie der Rock ’n’ Roll schon seit Jahrzehnten und wohl bis in alle Ewigkeiten bereit hält und halten wird.

In diesem ersten Song, im Hohelied auf die „Hedonistische Heilsfront“, bringt Sänger Archie Alert in wenigen Worten einen Großteil dessen auf den Punkt, was man gut gelaunt womöglich als Philosophie dieser erfolgreichsten Berliner Punk-Kapelle der letzten Jahre bezeichnen könnte: „Wir wollen zügellosen Genuss / Wir wollen Lust und Hedonismus.“ Schließlich war das Quartett schon immer in der Lage, bedenkenlos eine irgendwie dann doch noch linke Haltung mit bedenkenlosem Sexismus und hemmungslosem Spaßdiktat zu verknüpfen.

Auf der CD-Hülle des Albums finden sich große Zeichnungen von leicht bis gar nicht bekleideten Frauen, im Song „Kathedralen“ werden mal eben „Folter, Fatwa, Inquisition“, der „Clash der Zivilisationen“ und das primäre Geschlechtsteils von Alerts Lebensgefährtin zusammengedacht. Jenseits von dreckigem Punk, schweißigem Pogo und schmutzigen Gedanken ist das Weltbild der vier sogar noch einfacher gestrickt: Kleinstädte sind „öde“, dort finden sich „Vorgärten mit Jägerzaun“, „G.T.I.“ fahrende „Mongos aus der Vorstadt“, mit Deutschland möge man ihnen doch bitte „bloß nicht auf die Eier“ gehen und mit Politessen darf man nie „eine Nummer schie- hieben“.

Die Diskussion um politische Korrektheit haben Terrorgruppe nie geführt. Ihre Argumentation war stets: Ey Alter, haha, ist doch alles witzig gemeint, und wer das nicht versteht, hat eben keinen Humor. In manchen Teilen der Punk-Szene sind sie deshalb nicht gut gelitten, in anderen werden sie dafür geradezu abgöttisch verehrt. Ihren relativen kommerziellen Erfolg verdanken sie allerdings der Fähigkeit, mit ihrem prolligen Humor zusätzlich noch Käuferschichten zu akquirieren, für die Punkrock gemeinhin beginnt und aufhört mit den Toten Hosen. Diese Klientel wird bedient mit Songs wie „Angela“: Hier wird die CDU-Vorsitzende auf ihren „Pisspottschnitt“ reduziert, als zur „Gattung der Primaten“ gehörig definiert und schließlich festgestellt: „Beim Sex bin ich ein Riesenferkel / Drum könnt’ ich nie mit Angela Merkel.“

Inhaltlich kaum der Pubertät entwachsen, haben sich Terrorgruppe immerhin musikalisch mittlerweile zu einer überaus soliden Punkband entwickelt. Das fröhliche „Barbara“ über die Fernsehrichterin Salesch könnte so flott und unbekümmert auch von den jugendlichen Buzzcocks stammen. Nur der Text, der ist so eindimensional, der kann nur von der Terrorgruppe sein.

THOMAS WINKLER

Terrorgruppe: „Fundamental“ (Aggropop/Destiny/SPV)