Zivilcourage macht Pleite

Eine Ausstellung im Abgeordnetenhaus widmet sich Projekten gegen Rechtsextremismus, die besonders mit Jugendlichen arbeiten. Die Zukunft der Initiativen ist ungewiss – es fehlt das Geld

„Ich gehe sogar nach Marzahn. Wir machen da Witze drüber“, sagt der Angolaner Nafilo

von LIA PETRIDIS

Wenn es um Geld für Jugendarbeit geht, greift Pädagogin Sanem Kleff auch zu ungewohnten Vergleichen: Für 1,5 Millionen Euro kann man in Berlin ungefähr „einen halben Kilometer Autobahn bauen“, sagt sie. Oder eben, was offensichtlich mehr in Kleffs Sinne ist, 38 Projekte gegen Rassismus in Teilen fördern. Im letzten Jahr hat der Senat ein Programm eingerichtet, dass Initiativen unterstützt, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und diese gegen eine rechtsradikale Gesinnung wappnen. Nun ist das Geld verbraucht und die zukünftige Finanzierung steht in den Sternen.

Die Ausstellung „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus – Ziviles Engagement fördern“ dokumentiert noch bis Freitag im Abgeordnetenhaus die Arbeit dieser Vereine. Es stellen sich vor: das Forum für Familien mit Kindern afrikanischer Herkunft, das Anne-Frank-Zentrum, das Angebote für Schul- und Jugendgruppen entwickelt hat, und die Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, der Sanem Kleff als Leiterin des Bundesprojekts vorsteht.

Die eröffnenden Worte zur Ausstellung seitens der Offiziellen geraten blumig. Immerhin ist das Programm von Wissenschaftlern begutachtet und für gut befunden worden. Gut daran sei die Vielfalt der Projekte, Gut daran auch die „bessere Unterstützung von Opfern rassistischer Gewalt“, so der Integrationsbeauftragte Günter Piening. Und, zu guter Letzt, lobt er das altbewährte „Signal gegen rechts“.

Auch das Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge/MigrantInnen (BZZ) informiert auf der Ausstellung über seine Arbeit. Eine Einrichtung, für die etwa der Angolaner João Nafilo nur lobende Worte findet: „Das BZZ hilft bei Problemen im Alltag, der Schule, im Studium oder in Sachen Aufenthaltsgenehmigung.“ Gerade Behördengänge empfindet der Student als diskriminierend. Alle sechs Monate muss er zur Ausländerbehörde, hier wird sein Ausweis verlängert. Bislang jedenfalls, und das schon seit 13 Jahren. „Aufenthaltsgestattung“ heißt das. „Die sind nicht immer freundlich …“, sagt João Nafilo. Sonst schneidet Berlin in Sachen Toleranz in seinen Augen ganz gut ab: Es gebe mittlerweile keinen Stadtteil mehr, den er meiden würde. „Ich gehe sogar nach Marzahn. Wir machen da eher Witze drüber.“

Die Weiterfinanzierung der Projekte konnte auch zur Ausstellungseröffnung nicht endgültig geklärt werden – und ist angesichts Haushaltssperre und völlig unklaren künftigen Landesetats mehr als fraglich.

Die 1,5 Millionen Euro, die der Senat in diesem Jahr zur Verfügung gestellt hatte, sind jedenfalls schon weg. „Mit der Summe, die wir zur Verfügung gestellt bekamen, habe ich zwei Stellen finanziert, mit denen ich eine Kampagne in Berlin und Plakataktionen an den Schulen starten konnte“, sagt Kleff vom Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Es soll, erstens, die Schüler auf Rassismus an ihren Schulen aufmerksam machen. Und sie, zweitens, in die Pflicht nehmen, etwas dagegen zu tun. „Wenn sich 70 Prozent der Schüler zu diesen Grundregeln bekennen, dann bekommt die Schule den Titel ‚Schule mit Courage‘.“

Eine Mädchengruppe der Jahrgangsstufen 8 bis 10 der Alexander-Puschkin-Schule in Lichtenberg trommelte zur Ausstellungseröffnung auf Djembas und sang afrikanische Lieder. Auch ihre Schule ist eine „mit Courage“. Wie denken die Mädchen über rechtsradikale Ansichten? „Na ja, jeder steht zu seiner Meinung“, sagt ein blondes Mädchen. Und wie reagieren sie auf Übergriffe auf Schwarze? „Ich finde das nicht gut. Sind ja auch nur Menschen …“, sagt eine andere.