Die Einäugigen unter den Blinden

An welcher Hochschule kann eine Frau am ehesten Karriere machen? Vorsichtige Angaben dazu macht der erste deutscheUni-Test, der die Gleichstellung von Frauen und Männern zu messen versucht. Essen liegt vorn, Stuttgart auf dem letzten Platz

von THILO SCHMIDT

Es ist das x-te Hochschulranking, aber das erste, das die Universitäten nach Frauenfreundlichkeit bewertet: Das Bonner „Center of Excellence – Woman and Science“ (CEWS) hat ein „Hochschulranking nach Gleichstellungsaspekten“ vorgelegt. Um diese haben sich alle bisherigen Rankings gar nicht geschert. Siegerin nach Punkten: die Universität Essen, gefolgt von der Berliner Humboldt-Universität und der Uni Göttingen. Von den Fachhochschulen ist die FH Hannover die frauenfreundlichste.

Das gute Ergebnis der Universität Essen – mittlerweile mit der Duisburger Uni fusioniert – führt die Gleichstellungsbeauftragte Bärbel Rompeltien mehr auf eine „innerinstitutionelle Kultur“ als auf den Frauenförderplan zurück – denn den stellte die Essener Uni erst im Jahr 2000 auf. So habe es Tradition, dass es beispielsweise im Bereich der Kunst und Fotografie oder der Erziehungswissenschaften gute Professorinnen gebe. Doch auch Frauenbeauftragte sorgen für den Unterschied. In Essen sind sie länger als an manch anderer Uni mit dabei, wenn eine Professur neu besetzt wird.

Die Fachhochschule Hannover dagegen nimmt einen Spitzenplatz ein, weil das Frauenbüro einen guten Förderplan entwickelt hat – sagt Christine Deja vom Frauenbüro. Die Fachbereiche sollen für sich selbst Ziele definieren, langfristig planen und sich auch miteinander vergleichen.

Für die Humboldt-Universität sagt die Frauenbeauftragte Marianne Kriszio: „Wir profitieren immer noch etwas von der Zeit vor 1989, als es an der HU schon einen höheren Frauenanteil gab als an westdeutschen Universitäten.“ 36 Prozent des wissenschaftlichen Personals und 58 Prozent der Studierenden an der HU sind weiblich. „Die Frauenpolitik ist in Berlin schon seit Anfang der 90er-Jahre unterstützt worden“, sagt Kriszio, deswegen stünden alle Berliner Universitäten heute vergleichsweise gut da. Auch bei den Promotionen konnten die Humboldtianerinnen punkten: Über 40 Prozent der Promotionen werden von Frauen verfasst.

Frauen sind offenbar im Norden der Republik besser aufgehoben. Marianne Kriszio sieht in der Studie ein Nord-Süd-Gefälle, auch wenn es im Süden mittlerweile ebenfalls „Bemühungen um eine bessere Frauenpolitik gibt“.

Obwohl sie mit 14 beziehungsweise 12 Prozent Frauenanteil bei den Professuren nicht gerade heldinnenhaft auffallen, landen die Universitäten Essen und Göttingen in der Spitzengruppe dieser Kategorie: Damit die Daten gleichwertig sind, wurden sie mit dem Studentinnenanteil der jeweiligen Hochschule relativiert.

Deshalb schaffte es die Evangelische Fachhochschule Nürnberg – obwohl mehr als ein Drittel des Personals weiblich ist – in der Kategorie Wissenschaftliches Personal auch nur auf einen Mittelplatz: vier von fünf Studierenden sind Frauen. Die zweitplatzierte Humboldt-Uni dagegen steht mit dem gleichen Frauenanteil an der Spitze dieser Kategorie.

Am unteren Ende der Gesamtwertung: unter anderem die Stuttgarter Universität. „Sicherlich nicht glänzen“, so die Frauenreferentin Barbara Unteutsch, könne ihre Uni damit. Früher war sie eine Technische Universität, und das merke man heute noch. Ganze 3 Prozent der Hochschullehrer und nicht einmal 30 Prozent der Studierenden sind weiblich. Dass man Schlusslicht ist, sei vielleicht nicht ganz gerechtfertigt. Ein ehrgeiziger Frauenförderplan sehe vor, den Anteil der Professorinnen auf 10 und den der Studentinnen auf 40 Prozent zu steigern – und das bis 2007. Was in der Studie erst gar nicht auftauche: das Mentoring-Programm für Doktorandinnen und Habilitandinnen, sagt Unteutsch. Oder das Projekt „Probiert die Uni aus“ – Schnuppertage für Oberschülerinnen. Das sind die Nachteile der quantitative Studie. Die geplante Fortschreibung der Studie, so CEWS-Leiterin Brigitte Mühlenbruch, werde auch qualitative Daten einbeziehen.

So trifft die Studie auch keine Aussagen über die Kinderbetreuung in den Universitäten. Der Bedarf ist da: Die Kita der Berliner Humboldt-Universität ist völlig überlaufen, sagt Kriszio, „die hat Wartelisten von einem Jahr“.

Trotz alledem ist Kriszio nicht zufrieden. Das Rotationsprinzip durch die Zeitverträge im Mittelbau bedeute Unsicherheit und einen Zwang zur Mobilität. „Frauen werden durch dieses Risiko eher abgeschreckt“, besonders, wenn sie Kinder haben.

Selbst die Besten des Rankings sind aber nur die Einäugigen unter den Blinden: „Auch die Hochschulen, die gut abschneiden, wären im internationalen Vergleich auf schlechten Plätzen“, sagt Andrea Löther, Autorin der Studie. Auf die Schulter klopfen könne sich keiner, „kein Grund, sich auszuruhen“. Löther fordert Sanktionen, wenn Frauenförderpläne nicht umgesetzt werden – gerade mal jede zehnte deutsche Professur ist weiblich besetzt.

Das Gleichstellungs-Ranking im Netz: www.cews.uni-bonn.de/cewspublik5.pdf