Der Geschichts-Kick

Heute beginnt das Fußball-Filmfest „11mm“ mit dem Schwerpunkt „Fußball in der DDR“. Der Renner dürften jedoch Spielklassiker in voller Länge sein, etwa Dynamo Dresden gegen Bayern von 1973

„Die Nachfrage zu unserer Retrospektive des DDR-Fußballs ist riesig“

VON JOHANNES KOPP

Der Fußballfilm boomt. Eine Unmenge von Produktionen ist in den vergangenen Jahren entstanden. Dies hat damit zu tun, dass der Fußball immer breitere Schichten erreicht und man sich auch in intellektuelleren Kreisen mit dem runden Leder beschäftigt.

Je weiter man allerdings in den Filmarchiven zurückgeht, desto kärglicher wird die Ausbeute. Das hat den Vorteil, dass die Macher des Internationalen Fußball-Filmfestivals „11mm“ bei ihrem diesjährigen Schwerpunktthema „Fußball in der DDR“ sich rühmen können, ihrem Publikum das vorhandene Spielfilmmaterial (fünf Produktionen) komplett präsentieren zu können. Gezeigt werden diese historischen Aufnahmen von diesem Freitag bis Montag im Kino Babylon in Mitte.

„Über den Fußball in der DDR erfährt man dabei nicht so viel“, weiß Christoph Gabler, einer der Leiter des Festivals. Die Namen der Filme – „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“, „Nicht schummeln, Liebling“ oder „Verzeihung, sehen Sie Fußball“ – lassen bereits erahnen, dass hier der Volkssport Nummer eins vornehmlich als Folie für Gesellschaftskomödien dient. Interessante DDR-Zeitzeugnisse sind es allemal, zumal in den Filmen Darsteller wie etwa Katharina Thalbach, Chris Doerk, Frank Schöbel und Corinna Harfouch mitwirken.

Die Veranstalter von „11mm“ wissen, dass mit diesen Filmen allein kein großes Publikum anzulocken ist. Deshalb stehen neben Dokumentationen und einem selbst zusammengeschnittenen Fußballpotpourri aus 40 Jahren DDR-Wochenschau erstmals in der sechsjährigen Festivalgeschichte auch Klassiker in voller Länge auf dem Programm. Etwa der legendäre 4:0-Sieg von Carl-Zeiss Jena gegen AS Rom von 1981 oder die 3:4 Niederlage von Dynamo Dresden bei Bayern München im Jahre 1973. Damit, so Gabler, käme man einem stetig von Fans vorgetragenen Wunsch nach, diese sagenumwobenen Spiele wieder zu Gesicht zu bekommen.

Wie empfänglich das Publikum für wieder belebte Mythen ist, die der kollektiven Selbstvergewisserung zu dienen scheinen, hat vor einigen Jahren erst der Sönke-Wortmann-Film „Das Wunder von Bern“ gezeigt, in dem der Weltmeisterschaftssieg der Westdeutschen von 1954 wieder aufbereitet wurde. Dass auch bei den Ostdeutschen eine Sehnsucht besteht, alte Erfolge wieder lebendig werden zu lassen, überrascht nicht. „Die Nachfrage zu unserer Retrospektive des DDR-Fußballs ist riesig“, berichtet Christoph Gabler.

Im Festivalprogramm steht eindeutig der Rückblick im Vordergrund. Inspirierender wäre gewiss eine Filmauswahl gewesen, bei der auch heute noch gesellschaftspolitisch relevante Themen mehr Platz gefunden hätten. Eine der interessanten Ausnahmen dürfte dabei der Dokumentationsfilm „Und freitags in die Grüne Hölle“ sein, der 1989 noch vor dem Sturz Erich Honeckers gedreht wurde. Ein Kamerateam begleitet einen Fanclub von Union Berlin und ist dabei dem in der DDR tabuisierten Thema Gewalt und Randale auf der Spur.

Andere bis heute noch nicht ganz geklärte Fragen, inwieweit etwa beim Fußball von staatlicher Seite aus Doping verordnet wurde oder die politische Führung Einfluss auf sportliche Ergebnisse nahm, werden auf den Leinwänden leider nicht auftauchen. Hierfür hätte sich beispielsweise das Gastspiel des von Stasichef geführten Clubs BFC Dynamo bei Lok Leipzig am 22. März 1986 geeignet. Durch einen fragwürdigen Elfmeter in der 95. Minute holt der Berliner Serienmeister damals einen wichtigen Punkt.

Aber: „Das sind Themen, die gewiss in unseren Gesprächsrunden mit den Sportreportern und Nationalspielern von damals thematisiert werden“, vertröstet Gabler. Erwartet wird zum Beispiel der DDR-Auswahlspieler Peter Ducke, der 1972 beim Gewinn der olympischen Bronzemedaille dabei war. Klaus Petersdorf, der ehemalige Generalsekretär des Fußballverbands der DDR und der bekannte Sportreporter Gottfried Weise.

Fußball-Filmfestival „11mm“, von heute bis einschließlich 6. April im Babylon Mitte. Programm und Infos unter: www.11-mm.de