Reden statt streiken

Bei Opel in Rüsselsheim wird weiter gearbeitet. Die Belegschaft setzt auf das Verhandlungsgeschick ihres Betriebsratsvorsitzenden

RÜSSELSHEIM taz ■ Während der wilde Streik bei Opel in Bochum gestern fortgesetzt wurde, gingen die Beschäftigten im Stammwerk in Rüsselsheim zwar wenig fröhlich, aber doch eher unaufgeregt weiter ihrer Arbeit nach. In Rüsselsheim wissen die Beschäftigten zwar auch, dass letztlich General Motors (GM) in Detroit, USA, entscheiden wird, wie viele Stellen im Rahmen des „Sanierungsprogramms Europa“ bei Opel in Deutschland demnächst tatsächlich abgebaut werden und ob es im Zuge der avisierten „Gesundschrumpfung“ auch zu Werkschließungen kommen wird. Doch sie setzen ganz offenbar auf das Verhandlungsgeschick des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz. Der in Rüsselsheim lebende 52-jährige ehemalige APO-Aktivist hat schließlich in der ersten großen Opel-Krise vor knapp zehn Jahren schon einmal mit dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze gerade in Rüsselsheim nur moderat und sozialverträglich abgebaut wurden und GM dort ein neues Automobilwerk baute.

Der Preis, den die Beschäftigten damals zahlen mussten? Übertarifliche Leistungen wurden abgebaut und flexiblere Arbeitszeiten eingeführt. Großzügige Vorruhestandsregelungen versüßten im Anschluss an die Vereinbarungen einigen hundert Automobilwerkern den Abgang in die Rente. Ähnliche Ziele verfolgt Betriebsratsboss Klaus Franz auch heute wieder: Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen sollen verhindert und der wohl unumgängliche Personalabbau „so sozialverträglich wie möglich“ ausgestaltet werden. Eine Lösung kann es nur am Verhandlungstisch geben, sagte Franz am Rande der angelaufenen Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstandsmitgliedern von Opel und GM Europe gestern in Rüsselsheim. Das gelte, auch wenn er „gefühlsmäßig großes Verständnis“ für die Proteste in Bochum habe. Und was hat Franz im Verhandlungsangebot? Dazu sagte er nichts. Dass es um den Abbau der letzten Privilegien der Beschäftigten gehen wird, steht allerdings so gut wie fest. 15 Prozent mehr Lohn wird bei Opel im Vergleich zu den Tarifen in der Metallindustrie der Standortbezirke gezahlt. Damit dürfte Schluss sein. Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich sind wohl auch kein Tabuthema mehr.KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT