Es geht um Köpfe – und um die Kopfpauschale

Angela Merkels Idee von der Kopfpauschale ist ihrer Partei nicht vermittelbar. Denn dann müsste sich die Union zu Steuererhöhungen bekennen

BERLIN taz ■ Es war einmal eine Chefin einer großen alten konservativen Partei. Diese tapfere, abgebrühte Frau musste nach einem wahrhaft heroischen Kampf gegen ihre eigene Partei schließlich aufgeben. Nichts hatte ihren Gegnern dabei so viel genützt wie die fixe Idee der Chefin: eine Kopfsteuer.

Das Konzept erinnerte nicht von ungefähr an die Einheitssteuer des 14. Jahrhunderts, die damals zu Bauernaufständen geführt hatte. Und die neue „Poll Tax“ brachte die britische Bevölkerung auch in den 1980er-Jahren gegen die Tory-Vorsitzende und Premierministerin Margaret Thatcher auf. Dies bereitete den Tory-Männern rings um Thatcher den Weg, die bis dahin Unbezwingbare Ende 1990 zu stürzen.

Die „Kopfpauschale“ der CDU-Chefin Angela Merkel trägt ihren Namen durchaus zu Recht: Jeder Kopf erbringt einen pauschalen Beitrag zum Gesundheitssystem. Als die Idee in den Jahren 2001/2002 in Deutschland noch eine Sache der Wissenschaftler war, sprachen die auch ganz gerne von „Kopfprämie“. Ökonomen sind nicht unbedingt begnadete Werbetexter. Seit die Idee im politischen Raum angekommen ist, heißt die Kopfpauschale also Gesundheitsprämie. Ihre Verfechter wollen so den bösen Geist der sprachlichen und historischen Assoziation einfangen.

Doch die Kritik an der Kopfpauschale macht sich nicht nur an der Darstellbarkeit fest. CSU-Vizechef Horst Seehofer, in der Union Kronzeuge gegen die Kopfpauschale, ist Experte genug, um zu wissen, dass es um mehr als Worte geht. Er bezweifelt grundsätzlich, dass die sozialen Kosten der Kopfpauschale über Steuern aufgefangen werden können. 40 Milliarden Euro werden gegenwärtig im Kassensystem umverteilt – wo sollen diese Steuergelder herkommen?

Grundsätzlich ist es auch der Wunsch der CSU, die Gesundheits- von den Arbeitskosten abzukoppeln. Denn gegenwärtig steigen mit den Ausgaben für Gesundheit dank der paritätischen Kassenbeiträge auch die Löhne. Wenn die Beiträge zur Krankenkasse zum Beispiel von 14 auf 15 Prozent stiegen, müsste davon die Hälfte, also 0,5 Prozent vom Bruttolohn, der Arbeitgeber als zusätzlichen Lohnbestandteil draufzahlen. Eine Ausschüttung des Arbeitgeberanteils an den Arbeitnehmer würde das beenden. Doch auch die CSU will die Arbeitgeber entlasten: Sie schlägt vor, den Arbeitgeberanteil „einzufrieren“, das heißt nicht weiter steigen zu lassen. Auch die CSU lässt also die Arbeitnehmer mit den steigenden Gesundheitskosten allein.

Im Unterschied zur CDU aber will die CSU, dass Leute mit kleinen Einkommen im Gesundheitssystem weiterhin weniger zahlen als Leute mit besseren Einkommen. Wie die CDU hat sie nicht die geringste Absicht, die Gutverdiener, Beamten und Selbstständigen in die gesetzlichen Kassen zu holen. Zwar deutet Seehofer dies ab und zu an, weil es einfach logisch wäre, auch die privilegierten Bevölkerungskreise ins allgemeine Gesundheitssystem zu holen. Doch er ist damit auch in der CSU isoliert.

Wie nun der Sozialausgleich der Kopfpauschale finanziert werden kann, darüber sollen am kommenden Freitag die Unions-Experten beraten – wieder einmal. Rein sachlich gibt es freilich am Freitag keinen einzigen neuen Vorschlag zu verhandeln. Die durchgerechneten Optionen liegen seit Juli auf dem Tisch, als der Darmstädter Sozialexperte Bert Rürup drei Vorschläge machte: Entweder man erhöht die Mehrwertsteuer – wie weit man damit kommt, hat der jüngst zurückgetretene CDU-Vize Friedrich Merz erlebt. Oder man schlägt einen „Soli“ auf die Einkommenssteuer drauf. Dies ist das von Rürup präferierte Modell. Oder man nimmt eine kleinere Pauschale plus einen Minikassenbeitrag von drei Prozent. Dieses Modell hatte Rürup im Juli selbst als „gangbar“ bezeichnet. Allerdings sei es „ökonomisch unsauber“. Denn es beträfe ja nur die gesetzlich Versicherten, und die gut gestellten Privatversicherten blieben auch steuerlich verschont.

Verändert hat sich seit Juli allerdings die Medien-Meinung. Herrschte zunächst in der Presse große Skepsis, entdecken nun immer mehr Kommentatoren ihre Lieblingspauschale. Doch die kann nur so sozial sein wie das Steuersystem. Will die Union die Pauschale, kann sie die Steuern nicht senken, sondern muss sie erhöhen. Dass die Verhandler dies am Freitag beschließen, ist unwahrscheinlich.

ULRIKE WINKELMANN