Eine Demonstration fürs Gemüt

Beim europäische Aktionstag gegen General Motors demonstrieren Arbeiter und Politiker Einigkeit und machen sich gegenseitig Mut. Doch der eigentliche Kampf findet hinter den Werkstoren statt

AUS BOCHUM KLAUS JANSEN

Sie haben sich fest untergehakt, eine Stunde lang: Die Opel-Betriebsräte Lothar Marquardt und Dietmar Hahn nehmen Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) in die Mitte, den langen Weg vom Opelwerk I zum Schauspielhaus in der ersten Reihe. Vor ihnen schlagen Arbeiter auf einem LKW eine alte gusseiserne Glocke, es ist die Kampfglocke von Krupp, ein Relikt aus der Zeit der streikenden Stahlkocher. Hinter ihnen marschieren 20.000 Menschen. Der europäische Aktionstag gegen die Sparpläne von General Motors bringt in Bochum mehr Menschen auf die Straße als alle Montagsdemos dieses Jahres zusammen.

In der Konzernzentrale von General Motors in Detroit wird man mitverfolgen, was in Bochum auf der Straße passiert. Doch den eigentlichen Sinn der ersten offiziellen Veranstaltung, sechs Tage nach Beginn der arbeitsfreien „Informationstreffen“ in den Bochumer Opelwerken, formuliert Ludger Hinse: „Wir können im Ruhrgebiet nicht alles, aber wir haben menschliche Wärme, Kollegialität und Solidarität – im Gegensatz zur Eiseskälte des internationalen Kapitals“, sagt der Chef der Bochumer IG Metall.

Auch Opel-Betriebsratschef Dietmar Hahn lobt die Wärme der Ruhrgebietler: „Die Menschen lassen uns spüren, dass wir nicht allein sind“, sagt er. Brötchen, Erbsensuppe, Vitamine und viele warme Worte haben die Menschen den Opelanern in den vergangenen Tagen zukommen lassen. Sogar der VfL Bochum hat seine Solidarität bekundet und die Spieler Sören Colding und Rein van Duijnhoven zur Kundgebung geschickt. Die beiden wirken auf dem Podium zwar etwas verloren, aber sie sind da. Hahn bedankt sich.

Die Solidaritätswelle hat auch die Politik erfasst: Gewerkschafter Hinse lobt in seiner Rede, wie tapfer die „liebe Ottilie“ mit den Managern von General Motors verhandelt hat, wie die Oberbürgermeisterin gefragt hat, ob Achsen nicht zu einem Auto gehören. „Ganz toll war das“, sagt Hinse. Gewerkschaften und SPD stehen Seit‘ an Seit‘. Vergessen ist Bundeswirtschaftsminister Clement, der die Arbeiter quasi per Erlass wieder zurück an die Maschinen drängen wollte. Stellvertretend für Clement heimst den Ärger sein NRW-Kollege Harald Schartau ein, der als „Arbeiterverräter“ ausgebuht wird.

Könnten die Menschen im Ruhrgebiet oder Politiker über die Jobs bei Opel entscheiden, die Arbeiter hätten Grund zur Hoffnung. Doch der Aktionstag bleibt Kulisse, die wirklichen Entscheidungen fallen im Werk. Nach Zeitungsberichten soll Opel den „Rädelsführern“ des Ausstandes mit fristlosen Kündigungen gedroht haben, im Gegenzug werden Streikposten verstärkt, damit keine Schraube die Werkstore passieren kann. Trotzdem wird zwischen Geschäftsführung und Betriebsräten verhandelt. Man hat sich auf gemeinsame Ziele geeinigt – den geforderten Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen bleibt das Unternehmen aber noch schuldig. Dennoch wächst der Druck auf die Belegschaft, die Arbeit wieder aufzunehmen. Bislang ist man unentschlossen. „Es geht in die heiße Phase“, malte ein Demonstrationsteilnehmer auf sein Schild – die Opelaner haben vorher zumindest noch einmal Wärme tanken können.

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