antisemitismus
: Null Toleranz

Der Bundeswehrgeneral Reinhard Günzel muss gehen, weil er sich als Antisemit zu erkennen gegeben hat. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann darf bleiben, obwohl er ein Gesinnungsgenosse des Offiziers ist. Was ist das nun: ein Skandal der CDU oder eine Affäre der Bundeswehr? Es ist beides zugleich – und außerdem weitaus mehr als das. Weder die Streitkräfte noch die Unionsparteien sind in ihrer Mehrheit antisemitisch, wenn es auch kein Zufall ist, dass Rechtsextremisten gerne in der Armee oder bei den Konservativen eine Heimat suchen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang lediglich, bis zu welcher Grenze man meint, Radikale integrieren zu müssen. Offenbar wird diese Grenze immer weiter gesteckt.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Hunderte haben der Rede von Hohmann gelauscht, ohne zu protestieren oder anschließend die Öffentlichkeit zu suchen. Ein Saalpublikum mag noch so feige, ignorant und gelangweilt sein – die Tatsache allein ist dennoch ein Hinweis darauf, bis zu welchem Grad antisemitische Äußerungen inzwischen als normaler Teil des akzeptablen politischen Spektrums gelten. Man stelle sich vor, ein Redner riefe zum Mord an einem Spitzenpolitiker auf: Die Meldung liefe binnen Minutenfrist über alle Nachrichtenagenturen. Als gar so schlimm hat die anwesende Öffentlichkeit die Ansprache des Abgeordneten also nicht empfunden.

Wer meint, Antisemitismus müsse erst im Wiederholungsfall zu einschneidenden Konsequenzen führen, oder wer glaubt, es sei mit einmaligem Protest dagegen und anschließendem Achselzucken getan, der macht sich mitschuldig daran, dass Antisemitimus in steigendem Maße salonfähig zu werden droht. Abgeordnete und Offiziere sind – so absurd das manchen erscheinen mag – noch immer Vorbilder für viele Leute. Jedes Augenzwinkern ist in diesem Zusammenhang fast ebenso ekelhaft wie die Tat selbst. Es ist gut, dass Günzel entlassen wurde, und Hohmann muss aus Partei und Fraktion ausgeschlossen werden.

Aber man wird doch wohl noch seine Meinung sagen dürfen? Und verdient eine Rede wie die von Hohmann nicht wenigstens eine sachliche Erwiderung? Nein, das tut sie nicht. Auch die Behauptung, der Mond sei aus Käse, muss nicht jedes Mal widerlegt werden. Auf dem Mond leben allerdings wenigstens keine Menschen. Keine Opfer, keine Hinterbliebenen. Und auch niemand, der Angst vor neuen Untaten zu haben braucht.