Rabiate Räuberjagd

Ein Einsatz des Sturmtrupps der Bremer Polizei sorgt für Wirbel in der Seestadt. FDP: Entschuldigung erforderlich

Die Polizeibeamten seien zielgerichtet und engagiert vorgegangen, heißt es

Bremerhaven taz ■ Als die vermummten Männer mit Maschinenpistolen ihre Wohnung stürmten, fiel Susanne Thalheim in Ohnmacht. Beamte des Bremer Sondereinsatzkommandos (SEK) drangen vergangene Woche in die Wohnung der Frau in Bremerhaven ein, auf der Suche nach einem Räuber, den Susanne Thalheim noch nie gesehen hatte. Sie erlitt einen Schock.

Der groß angelegte Polizeieinsatz in dem Haus in der Hafenstraße 100 hat Kritik hervorgerufen. Die FDP-Fraktion Bremerhaven fordert eine Untersuchung der Vorgänge im Ausschuss für Öffentliche Sicherheit. So wie es sich in den Medien darstelle, habe die Polizei „unachtsam mit Kanonen nach Spatzen geschossen“, sagt Bernd Freemann, stellvertretender Vorsitzender der Lieberalen-Fraktion in der Seestadt.

Der Hintergrund: Die Bremer SEK-Beamten suchten – im Auftrag des Niedersächsischen Landeskriminalamtes (LKA) – einen Verdächtigen, der im Frühjahr Renter ausgeraubt und über Tage in ihren Wohnungen eingesperrt haben soll. Der Verdächtige hielt sich nach Informationen des LKA in einer Dachgeschoss-Wohnung des Hauses in der Hafenstraße auf – weswegen das Gebäude am vergangenen Mittwoch zunächst beobachtet und dann gestürmt wurde. Was den SEK-Beamten dabei allerdings entgangen war: Der mutmaßliche Räuber hatte das Haus bereits verlassen – unter ihren Augen. „Unsere Kräfte müssen sehr unauffällig agieren. Sie können nicht auf ein bis zwei Meter an die Menschen rangehen und schauen, ist er das oder ist er das nicht“, entschuldigt Frank Federau, Sprecher des LKA Niedersachsen, die misslungene Aktion.

Während der Räuber in der Stadt spazieren ging, trafen die Beamten in der Dachgeschoss-Wohnung lediglich auf eine Frau und deren Bekannten. Prompt erstürmten sie darauf zwei weitere Wohnungen im Haus, in der Hoffnung, hier auf den Gesuchten zu treffen – und brachen unter anderem die Tür der nichts ahnenden Susanne Thalheim auf. „Der Täter ist sehr gewaltbereit. In solchen Fällen können sie nicht an der Haustür klingeln und sagen: Kommen sie doch bitte mal raus“, erklärt LKA-Sprecher Federau das Vorgehen der Beamten. In solchen Fällen müsse man vielmehr zielgerichtet und engagiert vorgehen.

FDP-Fraktionsvize Freemann fordert indes eine Entschuldigung bei Susanne Thalheim und den anderen unbeteiligten Hausbewohnern, durch deren Wohnung sich die SEK-Beamten wälzten. LKA-Sprecher Federau: „Da offensichtlich kein Fehlverhalten der Einsatzkräfte vorliegt, kann ich in diesem Zusammenhang nur mein Bedauern darüber äußern, dass auch unbeteiligte Dritte davon betroffen wurden.“

Den mutmaßlichen Täter nahmen die Beamten dann am gleichen Tag noch fest – einige Straßen weiter in einer anderen Wohnung.

Dorothea Siegle