Wohnen im Minimum

Der Berliner Architektenverband BDA eröffnet eine Galerie quasi als Arbeitsagentur für seine Not leidenden Mitglieder, aber natürlich auch, um deren innovative bauliche Ideen zu präsentieren. Zehn kostengünstige Wohnprojekte machen den Anfang

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wo, wie in Berlin, ein großes Architekturmuseum fehlt, müssen viele kleine als Ausgleich dafür herhalten.

Auch die neu eröffnete „BDA Galerie“ in den Räumen des gleichnamigen Berliner Landesverbandes des Bundes Deutscher Architekten (BDA) hat die Funktion eines Substituts – und natürlich noch ein bisschen mehr. Will und muss man sich doch im Charakter von anderen vergleichbaren Institutionen wie den Architekturgalerien Aedes unter den S-Bahn-Bögen, Aedes East, der Framework-Galerie oder Suitcase unterscheiden. Im Gegensatz zu den genannten, die vornehmlich Baukunst, virtuose Konstruktionen, das Werk von Stararchitekten oder Bauhistorisches präsentieren und das in Berlin seit Jahren wohl beispielhaft, einmalig und umfassend tun, versteht sich die BDA-Galerie natürlich zuerst als Schaufenster für die Mitglieder des renommierten Verbandes.

Während etwa die beiden Ausstellungsorte von Aedes „Ästhetik“ im Sinn hätten, ginge es hier um die Vermittlung der praktischen Arbeit, urteilt Veronika Brugger, Kuratorin der Galerie. Die Idee sei gewesen, einen Ort für Architekten, aber auch für Bauherren und die Nutzer der Gebäude zu etablieren sowie „für Interessierte konkrete Informationen zum Bauen und zum Prozess der Planung und Realisierung zu geben“.

Das klingt nach Baustaub und Arbeit, ja sogar nach Marketing. Und ist wohl auch so gemeint. Denn die Bauwirtschaft Berlins steckt in der Krise und ebenso die Architektenschaft. Die einstige Großbaustelle der Republik ernährt nur noch die wenigsten der Branche – und die kleineren und jungen BDA-Büros haben es schwer, Fuß zu fassen bei Bauherren, Hausbewohnern und in der Öffentlichkeit. Für sie und ihre Pläne und Bauprojekte soll die Galerie des BDA ein „Fenster“ darstellen, meint Christine Edmaier, Vorsitzende des Berliner BDA. Das ist eine richtige Entscheidung, die angesichts der Dramatik in dem Metier nur viel früher hätte kommen müssen.

Die Galerie ist jedoch keineswegs nur eine Agentur für Arbeit. Vielmehr geht es um bauliche Konzepte im innovativen Sinn und um Präsentation. Die erste Ausstellung „10 Wohnbauten unter 1.000 Euro pro Quadratmeter“ zeigt Projekte, die zwar jenes niedrige Preisniveau halten, „bei denen jedoch durch innovative Ansätze qualitätsvolle Architektur realisiert wurde“, so Brugger. Die Ausstellung verdeutliche auch, dass trotz der eingeschränkten Möglichkeiten „gute, maßgeschneiderte“ Gebäude entstehen können.

Bei den ersten zehn Projekten an den Wänden der Galerie hat sich die Kuratorin nicht gänzlich auf junge Büros eingelassen, sondern auch auf erfahrene Architekten wie Müller/Reimann oder Quick und Bäckmann als Maßstäbe gesetzt. Ihre Siedlungsbauten in Dresden und Berlin-Falkenhöhe im Stil der klassischen Moderne aus doppelstöckigen Flachbauten, mit schnittigen Formen und in klarer Ausstrahlung fungieren dabei als Spitzenprodukte, die die Gleichung günstig und qualitätvoll erfüllen.

Auch die Arbeiten von Nägeli-Architekten für die „Waldhäuser in Frohnau“, eine Siedlung von hölzernen Wohnbauten, die sich in die Natur einfügen ohne sie zu multiplizieren, erfrischen durch Ideenreichtum, günstige Kosten und gleichzeitige Wohnlichkeit. Schließlich bilden das Wohnhaus mit Tonstudio vom Büro Augustin und Frank eine funktionale Synthese individueller Wohnkultur und funktionaler Architektur, die teuer aussieht, aber nicht wirklich teuer ist.

Die BDA-Galerie ist, hält sie diese hohen Standards, zweifellos eine Bereicherung in der Reihe der Berliner Architekturgalerien, die sich alle durch ein bemerkenswertes Programm und überdurchschnittliche Konzepte auszeichnen. Damit bilden sie keinen „Ersatz“ für das fehlende Architekturmuseum, sondern sind eigenständige Institutionen. Ein Architekturmuseum drängt sich dergestalt nicht auf.