Fluch über die Buche

Es ist höchste Zeit: Endlich wird der allerschlimmste aller Bäume beschimpft

Der letzte gruselige Schrei ist das iPod von Sony mit Intarsien aus Buchenfurnier

Jüngst lancierten konspirative Kreise lächerlich unbeholfen formulierte Pamphlete, um die genügsame Birke und die brave Fichte zu belästigen und zu verhöhnen, zu verspotten und zu schmähen. Ein an Dummdreistigkeit nicht zu überbietendes Unterfangen gewissenloser Halunken, dessen Scheitern naturgemäß eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, wenn, ja wenn die notorisch desinformierte Öffentlichkeit nicht kritiklos, mit überwältigender Mehrheit gar wohlwollend darauf reagiert hätte, sondern mit der angemessenen brutalen Schärfe und Gnadenlosigkeit.

Vielleicht ist es noch nicht zu spät, der bedrohlichen Fraktionsbildung von Anti-Fichten-Mafia und Birken-Terrorisierern zu wehren; es ist fünf vor zwölf, den nur mit schnödester Raffgier erklärlichen Bestrebungen Einhalt zu gebieten. Es ist höchste Zeit, den wahrhaft perfidesten, verdammungswürdigsten und niederträchtigsten Baum in deutschen Wäldern und Auen zu verfluchen: die Buche.

Man betrachte allein den penetrant grützbeutelartigen Wahnwitz, den die Gemeine Buche (Fagus sylvatica) dort verbreitet, wo sie wächst und wuchert. Wo die Buche ihre giftigen Klauen ausstreckt, ist die übrige Vegetation verdorben, erbarmungslos dem Untergang geweiht. Wo die Buche ihre verderbten Wurzeln in den Mutterboden rammt, stehen Weißfäule, Zunderschwamm, Mäusefraß und Schleimflusskrankheit auf der Tagesordnung. Wo die Buche ihr fieses Gekreische von zirka 30 Millionen Dezibel anstimmt, nehmen Hirschkuh, Hund und Katz sowie die Buchenwollschildlaus schmerzverzerrt Reißaus beziehungsweise strecken lieber gleich alle viere von sich. Inzwischen ist die Hundsgemeine Buche (Fagus transsylvatica) mit einem Anteil von 14 bis ungefähr 25 Prozent an der Gesamtwaldfläche Deutschlands die bedeutendste Laubbaumart. Muss man dem etwas hinzufügen? Allerdings.

Während der letzten Eiszeit rigoros getilgt vom Antlitz Mitteleuropas, eroberte die sinistre Buche, flankiert von Lobbyismus, Vetternwirtschaft und Parteienklüngel, sukzessive und klammheimlich den Spitzenplatz zurück. Klügere, umsichtigere, einem authentischen Naturgefühl gehorchende Generationen als die unsrigen waren noch bestrebt, dem Teufelswerk namens Rotbuche Einhalt zu gebieten, sie mit der einzig gemäßen Nichtachtung zu strafen: Buchenholz war Brennholz. Sonst nichts. Schicht um Schicht schichtete der Köhler Buchenscheite um die Quandelstange herum, zündelte nach altväterlicher Weise, und fertig war die Holzkohle. Heute dagegen ist die Möbel- und Laminatindustrie der willkommene Kollaborateur und Komplize einer Invasion buchenholzhaltigen Inventars. Verlangt Nachschub ohn’ Unterlass. Es ist eine der schändlichsten Missetaten, die jedes Vorstellungsvermögen sprengt, aber es kommt noch schlimmer. Während Eiche und Linde, unter Zähren das Gnadenbrot der reinen Holztümlichkeit verzehrend, ein kümmerliches Dasein fristen, hat die Wellness-Generation für die Befriedigung ihrer narzisstischen Grobheiten und Verirrungen insbesondere die in ihrem Innern hohle Rotkernbuche entdeckt. Der letzte Schrei ist das Sondermodell des iPod von Sony, das eine Intarsienarbeit aus Buchenfurnier ziert.

Damit nicht genug, profitiert die Buche seit mindestens einigen Jahrtausenden von der kollektiven Suggestion und betrügerischen Infamie, bei knallgewittrigem Donnerwetter solle man sie suchen, meint: Schutz vor dem blitzförmigen Einschlägen biete einzig und allein die Buche, hingegen Weiden zu meiden seien. Nichts als Lüge und Geschäftemacherei, um den kleinen Mann auf der Straße zur Buchen-Verherrlichung zu animieren. Der so manipulierte Buchensucher läuft in sein Unglück und die Herrschenden lachen sich eins. Zurück bleiben von Kratern übersäte Wüsteneien, die in Pollenfluggeschwindigkeit rasend schnell aufgeforstet sind. Mit Buchen.

Wie tief die Buchenplage und dito -pest in den Alltag der nichts ahnenden Bevölkerung eingedrungen ist, beweist ein Blick auf das notorische Gemecker der Bucheckern. Einst der Schweinemast vorbehalten, sind sie, platzend vor Stolz, Dernier Cri der Nouvelle Cuisine. Dass der Verzehr von Bucheckern nachgewiesenermaßen Gehirnerweichung, Wundbrand und Seitenstechen hervorruft, wird verschwiegen. Ihre knorpeligen Innereien verharzen das menschliche Gewebe und führen zur Verkrustung des Gallensafts und zu mineralischen Wucherungen in der Hirnanhangdrüse. Ruft endlich jemand: Skandal? Wo bitte bleiben die Proteste? Demonstrationen? Doku-Soaps der Buchenverteufelung? Steht die Broschüre „Rotkernige Buche – Holz mit Charakter“ auf dem Index? Wird der herausgebende Holzabsatzfonds der deutschen Forst- und Holzwirtschaft vor den Kadi zitiert?

Schweigen im Walde.

Also: Nichts wie weg, solange die Buche unaufhaltsam ihr schändliches Unwesen treibt, scharlachrot und bumsfidel.

DIETRICH ZUR NEDDEN