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: Die Hometown-Boys des Baseball

Nach drei Heimsiegen in Folge benötigen die Houston Astros nur noch einen Erfolg gegen die St. Louis Cardinals zum Einzug in die World Series

Je länger das Match dauerte, desto klarer wurde es den Zuschauern im Baseball-Stadion der Houston Astros, dass diese Partie wohl gewänne, wer endlich mal einen Ball treffen würde. 0:0 stand es zu Beginn des neunten und letzten Innings, nur je einen Hit hatten die Pitcher beider Teams bis dahin zugelassen. Und dies, obwohl die Astros und ihre Gegner, die St. Louis Cardinals, über eine ganze Reihe von schlagstarken Spielern verfügen, die sonst nicht mit Homeruns geizen.

Nachdem Houstons Reliever Brad Lidge in seiner Hälfte des Innings genauso souverän geworfen hatte wie Brandon Backe in den acht Innings zuvor, war es schließlich Carlos Beltran vergönnt, die Sache ins Rollen zu bringen. Er jagte einen Ball des Cardinals-Relievers Jason Isringhausen, einziger Schwachpunkt auf dem Wurfhügel an diesem Tag, die Linie entlang und mogelte sich anschließend zur zweiten Base. Nachdem Lance Berkman durch einen absichtlichen Walk ebenfalls auf Base kam, war das Feld bereitet für Jeff Kent, der einen weiteren missglückten Wurf von Isringhausen zum Homerun nutzte – 3:0-Sieg für die Astros, die 3:2-Führung in der Serie. Nachdem sie in dieser schon 0:2 zurückgelegen hatten, holten sie sich alle drei Matches im eigen Stadion, wo sie 22 der letzten 23 Partien gewonnen haben, und benötigen bloß noch einen Erfolg zum Einzug in die World Series gegen die New York Yankees oder die Boston Red Sox, die am Montag auf 2:3 verkürzten. Dumm für Houston: Die nächsten beiden Spiele finden in St. Louis statt.

Carlos Beltran, im Juni von den Astros in höchster Not verpflichtet, blieb am Montag zwar erstmals seit fünf Spielen ohne Homerun, hatte dafür aber mit zwei sensationellen Catches und seinem Auftritt im neunten Inning erneut maßgeblichen Anteil am Sieg. Der Star des Abends war jedoch Brandon Backe, ein weiterer Hometown-Hero in diesem mit Lokalmatadoren gespickten Team. Zwar stammt der 26-Jährige aus der Küstenstadt Galveston, war jedoch als Kind Astros-Fan und ist in letzter Zeit vollkommen unverhofft zum Publikumsliebling avanciert. Eine Rolle, die eigentlich den beiden ebenfalls aus Houston stammenden Pitchern Roger Clemens (42) und Andy Pettitte (32) vorbehalten schien, die nach ruhmreichen Jahren mit den New York Yankees diese Saison nach Texas zurückgekehrt waren.

Pettitte ist jedoch nach einer Ellenbogenoperation außer Gefecht, und Clemens muss sich das Rampenlicht mit Backe teilen, dessen Aufstieg symptomatisch für die Entwicklung der Astros in dieser Spielzeit ist. Bis zum August hatte Backe noch in den Minor Leagues für New Orleans gespielt, nach Houston kam er gerade rechtzeitig zum sensationellen Saisonfinish, mit dem sich der miserabel gestartete Klub noch die Wild Card für die Playoffs sicherte. Zuvor war erst Beltran geholt worden, dann mit Phil Garner ein neuer Manager, der zuvor in elf Jahren mit den Milwaukee Brewers und den Detroit Tigers nur eine Saison mit mehr Siegen als Niederlagen zuwege gebracht hatte. Die hochfliegenden Hoffnungen in der texanischen Stadt waren längst auf den Nullpunkt gesunken, als mit Garner jener Siegeszug begann, der das Team nun bis an die Stufe zur World Series geführt hat. Brandon Backe war es, der im letzten Saisonmatch den Playoff-Platz sicherte, er gewann Spiel drei in der ersten Runde gegen Atlanta und blieb nun fast makellos gegen St. Louis.

Ein wenig zu bedauern war sein Pendant Woody Williams. Der wuchs ebenfalls in Houston, war immer Astros-Fan, spielt aber für St. Louis und musste erleben, wie sein fast perfekter Auftritt am Ende nichts wert war. Auch eine Folge der dezimierten Pitcher-Riege der Cardinals. Zuletzt hatte sich Julian Tavarez zwei Finger gebrochen, als er wütend auf ein am Dug-out angebrachtes Telefon einschlug.

„Wir haben unsere Nase und unsern Kopf immer noch unten“, warnt Phil Garner vor verfrühter Euphorie. Houstons Manager muss für Spiel sechs eine schwierige Entscheidung treffen. Soll er es riskieren, seinen erfahrensten Pitcher Roger Clemens heute nach nur drei Tagen Ruhepause spielen zu lassen, was gegen Atlanta schief ging? Oder soll er die Partie mehr oder weniger sausen lassen und voll auf einen erholteren Clemens in einem entscheidenden siebten Match am Donnerstag setzen? Eine Situation, die Andy Pettitte, der gerade in den Playoffs stets zu Hochform auflief, schier zum Wahnsinn treibt. „Eigentlich sollte ich da jetzt stehen.“ MATTI LIESKE