Probleme mit der Wahrheit

Castor-Polizisten müssen sich wegen Meineids vor Gericht verantworten. Beamter war bei Sachbeschädigung ertappt worden. Reaktorstilllegung in Stade raffinierter Trick

Lüneburg/Stade taz ■ Die polizeilichen Vorbereitungen zur Durchsetzung des Castor-Transportes in der nächsten Woche laufen auf Hochtouren. Die ersten Kontingente der insgesamt 13.000 Polizei- und Bundesgrenzschutz-BeamtInnen (BGS), sind bereits eingetroffen. Um die Berichterstattung über den polizeilichen Belagerungszustand medial zu steuern, richten Polizei und BGS ab morgen wieder ein Pressezentrum ein. Eine erste Kostprobe gab bereits gestern Gesamteinsatzleiter Friedrich Nierhörster in Hannover. Er erwarte einen „sympathischen bunten Protest“. Die BI Lüchow-Danneberg kündigte schon einmal Klage gegen das verfügte Demonstrationsverbot entlang der Castor-Strecke an.

Indes müssen sich seit gestern vier Essener Polizisten wegen Meineids vor dem Amtsgericht Lüneburg verantworten, da sie einen Castor-Gegner zu Unrecht der „schweren Körperverletzung“ bezichtigt hatten. Der gewaltbereite Beamte Harald H. war am 28. März 2001 von dem Demonstranten Jürgen A. dabei ertappt worden, wie er mutwillig Autoventile von Pkws mit dem Messer zerschnitt, obwohl der Atommüllzug schon längst die Info-Wiese bei Dahlenburg passiert hatte. Als A. dagegen protestierte, schubste H. ihn ins Gebüsch. Bei der weiteren Zerstörung von Autoreifen schnitt sich H. dann in die Finger.

Obwohl der Amtsarzt Selbstverschulden protokollierte, behaupteten mehrere Polizeizeugen im Verfahren gegen A., dass dieser ihren Kollegen verletzt habe. Die Versionen unterschieden sich aber dermaßen, dass der Amtsrichter stutzig wurde. Andere Zeuginnen – darunter ein Lünebürger Richter – widersprachen zudem den Angaben. Der Meineid-Prozess wurde nach der gestrigen Zeugenvernehmung auf heute vertragt.

Inzwischen haben die Umweltorganisationen Greenpeace und X-1000mal-quer die vorzeitige Stilllegung des Reaktors Stade „begrüßt“, obwohl die Abschaltung durch Betreiber E.on im Prinzip ein „Täuschungsmanöver“ darstelle. Der Atommeiler werde wegen Unwirtschaftlichkeit und nicht wegen des rot-grünen Atomkonsens vom Netz genommen. X-1000mal-quer-Sprecher Jochen Stay: „Aufgrund der Übertragung des Reststrommenge auf Brokdorf und Brunsbüttel läuft Stade faktisch weiter.“ KAI VON APPEN

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