Das Energiebündel Candye Kane gastiert in der Honigfabrik
: Eine Lady mit Geschichte

Mit 16 schon Mutter und von der Sozialhilfe abhängig. Eine Karriere als Stripperin hinter sich und seit Jahren bekennende Feministin, die keinen Hehl aus ihren sexuellen Wünschen macht. Aktivistin für die Rechte der Fettleibigen und Galionsfigur der Lesben- und Schwulenszene. Und last but not least: Blues- und Swingstarlett, die schon mit B. B. King und Van Morrison auf der Bühne stand, und von der die Legende umgeht, „she plays piano with her breasts“.

Mit vielleicht etwas unangemessenem Pathos könnte man sagen, bei Candye Kane käme der Blues mit all seinen Konnotationen zu sich selbst. Aber all der schillernden Versatzstücke ihrer Karriere vom strippenden Underdog zur mehrfach preisgekrönten Diva des R&B bedarf es eigentlich nicht. Denn der Blues, der in ihrer Stimme swingt und der Schneid, den ihre Stücke prägen, ist Kapital genug, um sie ohne weiteres unter den Grandes Dames des Jazz zu platzieren.

Die Konzentration auf ihre Qualitäten als Sängerin und Songschreiberin verringert auch die Gefahr, wie es vielen Kritikern in ihrem Rekurs auf Candyes Leibesfülle passiert, der Beurteilung ihrer Arbeit einen sexistischen Beigeschmack zu geben. Die auf ihrem aktuellen Album Whole Lotta Love versammelten Stücke erzählen eben nicht nur von den Kämpfen und Sorgen einer lebenshungrigen Lady, sondern erinnern auch an die unterschiedlichen Stationen, die der Blues in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat. Die vom Heulen einer Mundharmonika getragene Verzweiflung des traditionellen Deltablues befindet sich hier in guter Gesellschaft mit der Geradlinigkeit des stampfenden Swamp-Rock, und der Rockabilly eines Jerry Lee Lewis verschmilzt in einer beeindruckenden Melange mit dem souligen Swing einer Etta James.

Den eigentlichen Drive erhalten die Stücke durch die stimmliche Begabung Candye Kanes, der in „When The Hangover Strikes“ oder der Eigenkomposition „A Lion In The House“ eine ergreifende Verbeugung vor ihren Vorbildern Dinah Washington und Big Maybelle gelungen ist.

Ein wenig aus dem Rahmen fällt lediglich der von Willie Dixon geschriebene, aber erst in der Version von Led Zeppelin zum Gassenhauer der Rockgeschichte avancierte Titelsong. Begleitet von einem Gitarrensound, der die Herren Page und Plant sicher erfreuen würde, bestätigt Candye Kane, dass ihr der Titel The Toughest Girl Alive (so der Name ihres 2000 erschienenen Albums) ohne Zweifel zugesprochen gehört. Die von einem einfachen Piano begleitete Honky Tonk-Ballade „I‘m Not Getting Older (I‘m Just Getting Better)“, die in ihrer ironischen Leichtfüßigkeit durchaus aus der Feder eines Randy Newman stammen könnte, beweist als krönender Abschluss von Whole Lotta Love, das es sich bei Candye Kane um weit mehr als einem „sucker who believes in love“ handelt.

Die Washington Post sprach von ihr als einem ,,natural wonder like the Grand Canyon“. Und man sollte alles tun, um an diesem Wunder live teilzuhaben.

Matthias Seeberg

Sa, 21 Uhr, Honigfabrik