Kanak Attak zeigt im Metropolis eine Reihe jüngerer Filme über Migration und Illegalisierung
: Melodramen ohne Kitsch

Die gesetzgebenden Organe des Landes kauen den zigsten Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes durch – wer darf, wer kann, wer soll, wie viele, wie integrieren? Dabei ist Migration längst Realität, Gesetze hin oder her. Annähernd eine Million Menschen, schätzen Experten, leben illegal in Deutschland, und dies zum Teil schon seit Jahren. Im Rahmen einer Kampagne der Gesellschaft für Legalisierung zeigt der beteiligte antirassistische Zusammenschluss Kanak Attak jetzt im Metropolis eine Reihe neuerer Filme zur sozialen Realität von Illegalisierten.

Anders als die Filme, die das Abaton für seine Reihe „Flucht und Migration“ ausgesucht hat, haben die hier versammelten die Beweggründe, aber auch die Wege der Migranten hinter sich gelassen. Nicht „In This World“ ist das Motto dieser Auswahl, sondern „In This Land“ oder, wie die Filmreihe betitelt ist, „Wir sind unter Euch“. Seien es Kanada, Belgien, Deutschland, Schweden oder die USA: Jeweils auf ihre Weise befassen sich alle Beiträge des Novemberteils der Reihe (sie wird im Dezember fortgesetzt) mit den vielfältigen Gesichtern, die der Alltag in einem Einwanderungsland für Leute haben kann, die von Abschiebung bedroht sind, aber alles Erdenkliche tun, um bleiben zu können und ihre Lebensumstände zu verbessern.

Es erstaunt nur auf den ersten Blick, dass alle Spielfilme der Reihe sich ihrem Thema mit den Mitteln des Melodrams nähern, selbst dann, wenn sie, wie etwa Das Versprechen von den Brüdern Dardenne (Rosetta, Der Sohn), eine dokumentarische Kameraführung bevorzugen. Im Eröffnungsfilm L‘ange de goudron dreht sich alles um die politische Frage, wie viel Migranten in die Waagschale werfen, wenn sie an militanten Aktionen gegen Abschiebungen teilnehmen. Doch der kanadische Regisseur Denis Chouinard bettet diese Konfliktlage in ein Familiendrama: Der Algerier Achmed Kasmi hofft gerade auf die Einbürgerung der Familie, da taucht sein Sohn nach einer Aktion auf der Einwanderungsbehörde unter. Gemeinsam mit dessen Freudin macht sich der Vater auf die Suche, um Weitergehendes zu verhindern, seine Frau erteilt derweil dem Beamten in der Behörde Nachhilfe in Großzügigkeit.

L‘ange de goudron zeigt paradigmatisch für die Filmreihe, wie gut sich die narrativen Konventionen des Genres eignen, um die Tragweite ideologischer Konflikte „im wirklichen Leben“ probehalber darzustellen. Die Frage, ob Militanz, kollektiver ziviler Widerstand, individuelle Verweigerung oder Abducken das wirkungsvollste Mittel in der Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus ist, lässt sich nicht am Reißbrett entscheiden.

Ken Loachs Bread and Roses (Foto) über eine Putzkolonne mexikanischer Migranten in den USA, der Ende des Monats läuft, setzt die dazugehörigen Konflikte in einer ebenso melodramatischen wie furiosen Szene ins Bild: Auf dem Höhepunkt des Films streitet sich die gerade politisierte Maya mit ihrer Schwester, die gewerkschaftliche Aktionen mit dem Hinweis auf ihre Gefährlichkeit ablehnt.

Auch das aus einer Fernsehserie hervorgegangene komische Roadmovie Das neue Land von Geir Hansteen Jörgensen arbeitet mit Mitteln des Melodrams. Und selbst Otras Vias, der einzige Dokumentarfilm der Reihe, ist in dem Maße realistisch, wie er den Problemen, mit denen sich Sexarbeiterinnen aus Lateinamerika in Deutschland herumschlagen, eine dramatische, das heißt eine künstlerische Form gibt. Keiner der Filme löst seine Konfliktlagen in einem ungebrochenen Happy End auf. Von der Verkitschung, die das Melodram ebenfalls bereithält, sind sie jedenfalls weit entfernt.

Christiane Müller-Lobeck

L‘ange de goudron: Do, 19 Uhr; Das Versprechen: Do, 21.15 Uhr; Otras vias: 14.11., 19 Uhr; Das neue Land: 14.11., 21.15 Uhr; Bread and Roses: 24.11., 21.30 Uhr, Metropolis (alle OmU); Aktionstag sowie Party und Performance: 27.11., Echochamber und Click