Eine tolle Atmosphäre

Beim Treffen am kommenden Wochenende mit dem Präsidium des FC St. Pauli hat der Aufsichtsrat einige kritische Fragen zu klären. Nachfragen des Kontrollgremiums blieben unbeantwortet. Sponsoren sind vergrätzt

„Es ist tatsächlich noch schlimmer geworden als vor Littmanns Zeit“

von OKE GÖTTLICH

„Auf der Geschäftsstelle herrscht wieder eine tolle Atmosphäre. Unsere Vereinsmitglieder kommen gern bei uns vorbei.“ FC St. Pauli-Präsident Corny Littmann muss angesichts dieser jüngsten Aussage in einem Interview mit der Welt lange nicht mehr bei seinem Verein vorbeigekommen sein. Innerhalb des Betriebs rumort es lauter denn je. „Es ist tatsächlich noch schlimmer geworden als vor Littmanns Zeit“, beschweren sich viele Angestellte. Zu allem Überfluss kommt heute das Amt für Arbeitsschutz auf Anraten des Betriebsrates in der Geschäftsstelle vorbei, um das Containerdorf am Millerntor, das kaum den arbeitsrechtlichen Bestimmungen genügen dürfte, in Augenschein zu nehmen.

Eigentlich ist es normal, dass Betriebsrat und Geschäftsführung arbeitsrechtlich konträre Ziele verfolgen, beim FC St. Pauli wird trotzdem Brisanz draus: Hatte die Vereinsführung nach dem Weggang des ehemaligen Vermarktungschefs Marc Wallas doch ein Modell des Betriebsrats abgelehnt, mit Hilfe dessen der Verein durch Umstrukturierungen 50.000 Euro hätte sparen können. „Eine Lösung, die wir nicht für praktikabel hielten“, so Verwaltungsleiter Frank Fechner. Angesichts des Sparwillens und dem vom Präsidium als nötig erachteten Abbau der Geschäftsstelle von „Zweitliga- auf Regionalliganiveau“ (Fechner) eine teure Absage.

Auch Sponsoren sind mittlerweile vergrätzt: So ließ der Sohn des Vizepräsidenten Guntram Uhlig zwei Testspieler aus Tunesien über den Sponsor Zackita-Reisen für über 2.500 Euro einfliegen. Die Rechnung wollte der Sohnemann aber später nicht begleichen. Daraufhin stieg Zackita-Reisen als Vereinssponsor aus. Der neue Vermarktungschef Marco Hopp drohte sofort mit rechtlichen Schritten wegen Nichterfüllung des Vertrages. Immerhin zehn Wochen später beglich Guntram Uhlig die ausstehende Rechnung privat. Zackita will trotzdem nichts mehr mit dem FC St. Pauli zu tun haben.

Der Aufsichtsrat erwartet daher klare Antworten vom Präsidium auf drängende Fragen. „Wir diskutieren den Jahresabschluss, sowie den laufenden Etat und die Perspektiven. Es wird sicherlich nicht außergewöhnlich kontrovers werden“, glaubt Fechner. Da allerdings vorlagepflichtige Verträge mit Spielern nach wie vor nicht vom Aufsichtsrat genehmigt worden sind, könnte sich Fechner damit täuschen. Eine Möglichkeit des Aufsichtsrates, den praktizierten Alleingang des Präsidiums zu stoppen, wäre zum Beispiel, die Verantwortlichen regresspflichtig zu machen, da die Verträge nach außen bindend sind.

Außerdem beschäftigt die Kontrolleure, wie der Verein angesichts seiner Verbindlichkeiten gegenüber den Abteilungen des Vereins den laufenden Etat bestreiten will – vor allem den für die Saison 2004/2005 (taz berichtete). Sollten die Abteilungen nicht rechtzeitig ausbezahlt werden, droht gar der Verlust der Gemeinnützigkeit des Vereins. Immer noch behält der Verein spezielle Mitgliedergelder („NO-I-Gelder“), die ebenfalls an die Abteilungen ausgeschüttet werden müssten, in Höhe von 90.000 Euro ein. „Über die Verwendung dieses Geldes muss noch befunden werden“, gibt sich Fechner vieldeutig.

Dass Fechner inzwischen die Kommunikation mit dem Betriebsrat in Sachen Betriebsschließung zum Abbau von Urlaubstagen vor der Einigungsstelle vorzieht, steht im Widerspruch zu seinen Ansichten vor seinem Amtsantritt („Es ist doch unglaublich, wie viel Geld der Verein mit juristischen Kosten verschwendet“). Sonst herrscht gute Stimmung.