Dampf unterm Hintern der Exekutive

So funktioniert Volksherrschaft: Ausschuss lässt Ressorts und Datenschützer antanzen und über ihre Arbeit berichten. Am Schluss gibt‘s Hausaufgaben

Bremen taz ■ Inwieweit ist der öffentliche Dienst bei den Versuchungen des Internets zu kontrollieren – damit beschäftigte sich gestern der Datenschutzausschuss, und live zu besichtigen war, wie Kontrolle des Parlaments über die Verwaltung funktionieren kann. Der Datenschutzbeauftragte Sven Holst hatte im Frühjahr seinen Bericht mit allerlei mehr oder minder gravierenden Mängeln im bremischen Datenschutz vorgelegt. Gestern ließen sich die Volksvertreter Bericht darüber erstatten, was seither geschehen sei.

In der Frage des Umgangs mit Gesurfe am Arbeitsplatz hatte Holst eine Richtlinie angemahnt. Ihr Inhalt: Menschenverachtende, rassistische oder pornografische Seiten sind tabu, dafür gibt es Filterprogramme. Eine Viertelstunde soll jedem Mitarbeiter das tägliche Privatsurfen gestattet sein, gesondert abgerechnet mit einer monatlichen Pauschale von zwei Euro. Fällt bei Sammellisten der angeklickten Seiten Schmutziges auf, kann in einem bestimmten Zeitraum personenbezogen kontrolliert werden. Warum die Richtlinie immer noch nicht in Kraft ist, verstand gestern nicht nur der SPD-Abgeordnete Wolfgang Grotheer nicht – in diesem Jahr sollen die Beteiligten endlich zu Potte kommen.

Ebenfalls zu Potte kommen sollen die Beteiligten in Sachen Bürgertelefon gegen Schwarzarbeit. Für diese Hotline ins Amt, über die jeder Bürger Verdachtsfälle von Schwarzarbeit anzeigen kann, gibt es überhaupt keine gesetzliche Grundlage. Ebensowenig ist rechtlich geregelt, wie mit den gesammelten Daten verfahren wird – noch nicht mal die Rückmeldung an die Hotline-Betreuer, wenn es sich um eine Verleumdung handelt, ist gegeben. Man arbeite dran, erkläre ihnen der Senat, so die Datenschützer. Das solle er auch, und zwar „zügig“, stellte Ausschussvorsitzende Cathrin Hannken (CDU) als Tenor fest. Und Jan Köhler von den Grünen will nächstes Mal über die Erfolgsbilanz des Bürgertelefons informiert werden.

Weiteres Ärgernis im Hause Holst war die Videoüberwachung des Bahnhofsvorplatzes. Er sei viel zu spät informiert worden, die Schilder, die die Passanten über ihr Beobachtet-werden informieren, seien zu klein und die Kameras überdies so scharf, dass jeder und jedes erkannt werde – auch wenn es die Polizei gar nichts angeht: beispielsweise, wer einen der Sex-Shops betritt. Was die Schilder angehe, konterte Hans Pleister vom Innenressort, sage das Gesetz lediglich, es müsse „offen und erkennbar“ auf die Beobachtung hingewiesen werden. Pleister: „Ich fand die Schilder immer recht offensichtlich.“ Aber nichts für ungut, die neuen Schilder sind bestellt, größer und mit europa-einheitlichem Logo, und fürs nächste Mal, gaben die Abgeordneten dem Ressortvertreter mit auf den Weg, möge der Datenschutz früher und besser beteiligt werden.

Weniger konziliant ging es in Sachen Rasterfahndung zu. 589 Personendateien seien von Bremen ans Bundeskriminalamt übermittelt worden – Daten von in Bremen lebenden Männern arabischer Herkunft, die unter rund 10.000 gerasterten Personen auf einen terroristischen Hintergrund überprüft werden sollten. Nach BKA-Überprüfung blieben noch 43 Verdachtsfälle, 22 haben sich inzwischen erledigt, 21 seien noch in polizeilicher Bearbeitung, so Holst. Er bemerkte süffisant: „20 davon waren der Polizei schon vorher bekannt.“ Holsts Ärger: „Absolut zu spät“ sei seine Behörde über die jeweiligen Fälle informiert worden – ein Vorwurf, den Hans Pleister vom Innenressort vehement zurückwies.

Strittig war insbesondere der Zeitpunkt, ab dem der Datenschutz informiert werden muss. Bereits ab dem ersten Schritt, findet Holst – zugleich mit der Raster-Verfügung des Innenressorts an die einzelnen Institutionen. Erst später, findet Pleister, nämlich dann, wenn die im Raster hängengebliebenen Daten an die Polizei übermittelt werden. Er stand damit allein. Der Ausschuss schloss sich der Auffassung des Datenschützers an.

Susanne Gieffers