Der Kampf der Seestadt-Giganten

Das geht ja gut los: SPD und CDU in Bremerhaven sind noch vor Ende der Koalitionsverhandlungen zerstritten. Und dann kommen die Jusos und gießen auch noch Öl ins Feuer – ein fetter Fehltritt, der den CDU-Alpha in gewaltige Rage bringt

Bremen taz ■ „Unverschämtheit! Den zerr‘ ich vor Gericht.“ Die Wut des Michael Teiser war gestern für Momente hörbar grenzenlos. Und die Folgen – vergleichsweise – schrecklich, für die Bremerhavener Jusos. Die hatten nämlich zuvor eine Pressemitteilung in die Welt geschickt, in der sich Juso-Chef Elias Tsartilides so zitieren ließ: „Teiser: Kein Weihnachtsgeld für Juden, Hindus, Moslems und andere nichtchristliche Sozialhilfeempfänger.“ Absurd, kontert Kämmerer, Bürgermeister und CDU-Vize Teiser, nie habe er dergleichen gedacht oder gar gesagt. Und: „Ich kenne Herrn Tsartilides überhaupt nicht.“ Herr Tsartilides hat wenig später unter Anleitung seines SPD-Landesvorsitzenden Siegfried Breuer („Das haben meine Jusos gesagt?“) und nach einer schriftlichen Drohung Teisers, er werde im Fall des Aufrechterhaltens dieser Behauptung „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, seine Worte zurückgenommen und sich dafür entschuldigt.

Die kurze Aufregung um falsch Verstandenes mag dennoch ein Licht werfen darauf, wie in der Seestadt die Angehörigen zweier Parteien miteinander umgehen, die das Schicksal der Stadt in den kommenden vier Jahren bestimmen. In Bremerhaven verhandeln CDU und SPD über die Fortsetzung der großen Koalition und über die Gestaltung des wichtigsten Themas, das Sparen. Eine 40-Punkte-Liste hat die CDU, darauf lauter Dinge, die sparbar seien, so auch das Weihnachtsgeld für Sozialhilfeempfänger. Er habe, so Teiser gestern, lediglich auf eine Jahre alte Debatte in Bremerhaven hingewiesen, an diesem Posten zu sparen, denn Weihnachten werde immer weniger gefeiert, und erneut die Kürzung dieser Beihilfe für die gesamte Gruppe der Sozialhilfeempfänger vorgeschlagen – ohne Erfolg. Die SPD will das nicht, der Komplex wandert wie andere in den Koalitionsausschuss. Der vorschnelle Juso-Mann hatte, als er von dieser Diskussion hörte, sie schlicht falsch verstanden.

Wenn‘s nur Missverständnisse wären, die die alten und neuen Koalitionäre in Rage brächten. Denn die Herren Teiser und SPD-Oberbürgermeister Jörg Schulz streiten sich gerade öffentlichkeitswirksam darüber, ob Kämmerer Teiser die Verträge der Geschäftsführer der ausgegliederten Gesellschaften kennen darf. Darf er nicht, findet Schulz, das gehe seine Nummer Zwei gar nichts an. „Hochsensibel“ seien diese Daten, längst beschlossen und damit für aktuelle Spar-Überlegungen sowieso tabu. Ob Schulz seinem CDU-Kollegen einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten nicht zutraue, wollte ein buten un binnen-Reporter vom OB wissen. Darauf der: „Diese Frage will ich im Moment nicht beantworten.“

Teiser schießt zurück. Der Senat habe das Sparen auch in den städtischen Gesellschaften befohlen, wie solle das gehen, wenn er nicht alle Vorgänge kenne? Und: Schulz werde schon wissen, warum er die Verträge nicht rausrücke, schließlich säßen auf diesen Posten „zu 98 Prozent enge sozialdemokratische Freunde“. Diese Quote hätte Teiser einst gern geschmälert, wollte er selbst doch Geschäftsführer der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe werden, zog aber nach Filz-Vorwürfen zurück.

Bremerhavens SPD-Chef Siegfried Breuer wollte den Krach gestern nicht kommentieren. „Das sollen die unter sich ausmachen. Ich kann mich wirklich nicht um alles kümmern.“ Er wird es dennoch müssen. Denn wenn Teiser und Schulz sich nicht einigen, landet das Thema im – wo sonst –Koalitionsausschuss.

Einen süffisant-salomonischen Vorschlag machte gestern die Bremerhavener FDP. Die Liberalen seien generell für Transparenz, so FDP-Fraktionschef Mark Ella. SPD-Oberbürgermeister Jörg Schulz möge doch die Verträge offen legen – wenn im Gegenzug Teiser seinerseits aufkläre, ob er das ihm laut Gesetz zustehende Übergangsgeld der Bürgerschaft in Anspruch genommen hat. Ob Teiser nämlich die rund 30.000 Euro – gedacht eigentlich für Parlaments-Aussteiger ohne Anschlussjob – kassiert hat, trotz aller öffentlicher Aufregung über ein solches Verhälten (taz berichtete).

Susanne Gieffers