■ Es ist etwas Neues entstanden. Ein breites Bündnis aller Interessierter gegen Sozialabbau
: „Wir sind viele!“

betr.: „Sozialabbau lässt Widerstand wachsen“ u. a. (Berichterstattung zur Demo gegen die rot-grünen Sozialreformen), taz vom 3. 11. 03

In einem Land, wo die Bevölkerung doch noch sehr zum „Gehorsam“ bis zur „Obrigkeitshörigkeit“ neigt, schließen sich spontan 100.000 zusammen, um gegen Sozialabbau zu demonstrieren. Das ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, wer hätte das den Deutschen zugetraut? […]

Die Menschen sind es leid, Schluss mit lustig. Den Schwätzern wird nichts mehr geglaubt, vor allen Dingen nicht dieser Blödsinn, dass die Staatsfinanzen durch Kürzungen bei den ohnehin Schwachen und Schwächsten saniert werden könnten. Wahlbeteilungen von unter 50 Prozent, 100.000 spontan bereit, auf die „Barrikaden“ zu gehen, das sind mehr als nur deutliche Signale, da ist etwas in Bewegung gekommen, ob „man“ das nun wahrhaben will oder nicht. Das besonders Traurige, auch die Medien wollen das tiefhängen, anstatt sich, zumindest ein Blatt wie die taz, klar und deutlich hinter diese Demonstranten zu stellen. […]

KLAUS ZINNER, Bochum

Dass es entgegen den Vorstellungen der Gewerkschaftsspitzen eine so mächtige Demonstration geworden ist, ist den vielen Menschen zu verdanken, die sich über die vom Herrn Sommer verkündete „Protestpause“ geärgert haben. Herr Sommer hatte damit seinem Parteifreund Schröder den Rücken freihalten wollen zur Einbringung seiner unsozialen Vorschläge der Agenda 2010 in den Bundestag.

Da Herr Sommer die Proteste gegen den Sozialabbau nicht bündeln, sondern durch die „Protestpause“ verhindern wollte, ist etwas Neues entstanden, ein breites Bündnis aller Interessierter gegen Sozialabbau auf örtlicher und überregionaler Ebene. Die Menschen, denen die Regierung in die Tasche greifen will, lassen sich ihre Gedanken nicht vorschreiben, denn sie haben nun selbst entdeckt, dass ein breites solidarisches Bündnis über alle Gewerkschaftsgrenzen und Parteigrenzen hinweg erforderlich ist, um den geplanten Sozialabbau zu stoppen.

[…] Wenn in den nächsten Wochen und Monaten örtliche Aktionen stattfinden, sollten sich alle, die sich vom Sozialabbau direkt oder indirekt betroffen fühlen, selbst beteiligen und nicht darauf hoffen, dass andere ihre Interessen schon vertreten werden. Nur wer selbst aktiv wird, kann zu positiven Veränderungen beitragen! […] SIEGFRIED HEUSER, Jena

Immer wieder bin ich (als ein Seit-der-Null-Nummer-taz-Leser) erstaunt. Über Zwischentöne und Nullaussagen, die ich eher in Spiegel, Welt oder sonstigen bürgerlichen Zeitungen erwarte. […] Eure „Überschriftleute“ haben gepennt, als sie die Titelseite zur Demo in Berlin machten: In ähnlich großen Lettern wie in der Feindes-taz hättet Ihr über die ganze erste Seite titeln müssen: WIDERSTAND!!! – oder verstärkter: AUFRUHR!!! WIDERSTAND!!!

Wir haben damals beim Tuwat-Kongress Ende der 70er eine Zeitung gewollt, die uns in unserer politischen Arbeit unterstützt – nicht eine Zeitung, die langweilig-journalistisch ausgewogen dahertitelt. Ein zweites Bespiel: Euer Artikel endet mit den Sätzen: „ ‚Wir sind viele und wir kommen wieder‘, ruft sie. Die Leute klatschen. Aber kommen sie auch wieder?“ Was soll dieser blödsinnige letzte Bild-Zeitungssatz? Das Zitat „Wir sind viele!“ hätte die Überschrift des Artikels sein müssen – und der letzte Satz könnte getrost anderen Zeitungen überlassen bleiben. […]

ANDREAS SCHÜSSLER, Bielefeld