Birmas Premier unter Hausarrest

Junta nimmt reformorientierten Regierungschef fest – offiziell wegen Korruptionsvorwürfen. Beobachter werten diesen Schritt als Anzeichen für sich verhärtende Fronten in der Militärregierung

VON NICOLA GLASS

Birma wartet mit einem neuen politischen Skandal auf: Premierminister Khin Nyunt wurde abgesetzt und festgenommen. Er stehe offiziell wegen Korruptionsvorwürfen unter Hausarrest, ließ gestern die thailändische Regierung verlauten. Sie berief sich dabei auf diplomatische Quellen im international isolierten Nachbarland Birma. Birmas Grenzübergänge zu seinen Nachbarländern wurden geschlossen. Eine offizielle Bestätigung aus Birma für Nyunts Absetzung lag zunächst nicht vor.

Militärkreisen zufolge war Khin Nyunt bereits am Montagnachmittag nach seiner Rückkehr von einer Inlandsreise auf dem Flughafen der Hauptstadt Rangoon in so genannte Schutzhaft genommen worden. Beobachter werteten die Absetzung des als vergleichsweise reformorientiert geltenden Ministerpräsidenten als Anzeichen für die verhärteten Fronten innerhalb der Militärregierung. Die Entmachtung Khin Nyunts ist für viele Experten zudem ein klares Indiz dafür, dass sich die Hardliner durchgesetzt haben. Dahinter steckt kein anderer als Junta-Chef General Than Shwe. Zwischen den beiden soll es in den vergangenen Monaten zu verschärften Spannungen über den politischen Kurs des Landes gekommen sein.

Dabei hatte im August 2003 alles noch ganz anders ausgesehen: Damals war Khin Nyunt, bis dato Nummer drei in der Militärjunta und militärischer Geheimdienstchef, völlig überraschend auf den Posten des Premiers gerückt. Mit seiner Ernennung verbanden viele Analysten Hoffnungen auf eine Liberalisierung Birmas, das seit 1962 vom Militär beherrscht und von der internationalen Gemeinschaft bis auf einige Ausnahmen geächtet wird.

Der neue Premier galt nach außen hin als jemand, der den Dialog mit der weiter unter Hausarrest stehenden Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi befürwortete und sich für die Beteiligung der oppositionellen Nationalen Liga für Demokratie (NLD) am politischen Versöhnungsprozess aussprach. Doch Kritiker monierten schon damals, dass die Berufung Khin Nyunts zum Premier nichts anderes als pure Kosmetik sei. Auf diese Weise wolle die Junta der Welt nur eine nach außen hin moderater erscheinende Regierung präsentieren.

Tatsächlich blieb General Than Shwe der Oberbefehlshaber der Armee. Dass Khin Nyunt jetzt festgesetzt wurde, ist lediglich Folge seiner sich bereits länger abzeichnenden Entmachtung: Bereits Mitte September war während einer Kabinettsumbildung Birmas langjähriger Außenminister Win Aung abgesetzt worden, der dem politischen Kreis um Khin Nyunt zugerechnet wird. Ersetzt wurde er durch Major-General Nyan Win, einen Gefolgsmann von Than Shwe.

Diese Kabinettsumbildung fand ausgerechnet kurz vor mehreren internationalen Treffen statt: Der UN-Vollversammlung in New York und dem Asien-Europa-Treffen in Hanoi. Während beider Treffen standen Diskussionen über Birmas Menschenrechtslage auf der Agenda. Den Außenminister zu einem so wichtigen Zeitpunkt auszutauschen, sei eine Beleidigung der internationalen Gemeinschaft, bewertete ein UN-Vertreter den Vorgang gegenüber der thailändischen Tageszeitung Bangkok Post.

Auch Birmas Nachbarn innerhalb des südostasiatischen Staatenbundes Asean wird ihr gescholtenes Mitglied immer peinlicher. Zumal Birma eigentlich Anfang des Jahres 2006 den Asean-Vorsitz übernehmen soll. Zu den jüngsten Entwicklungen äußerte sich ein in Rangoon ansässiger Geschäftsmann: „Than Shwe macht die Schotten gegenüber der Außenwelt dicht.“