„Stoiber ist verantwortlich“

Es sei bemerkenswert, dass sich keiner von den CDU-Granden traut, klar gegen den CSU-Chef vorzugehen – findet der Historiker und Unionsexperte Frank Bösch

taz: Herr Bösch, jetzt haben’s wieder alle gleich gewusst: „Es war immer schon einsam um Angela Merkel“, schreibt eine CDU-nahe Zeitung. Machte denn Merkels Einsamkeit nicht ihre Anziehungskraft aus – als Ostdeutsche, Frau, Protestantin, die sich durchgesetzt hat?

Frank Bösch: Diese Anziehungskraft übte Merkel zunächst einmal auf die eher liberalen Medien aus. Die fanden das Ungewohnte, Verquere an ihr interessant und haben sie zunehmend hochgeschrieben. In der Parteiführung ist Merkel wenn, dann eher in Berlin einsam. Zu den meisten CDU-Ministerpräsidenten pflegt sie enge Duz-Verhältnisse.

Der enge Duz-Freund Christian Wulff aus Niedersachsen ist angeblich Teil einer „Intrige“.

Man darf diese Intrigen- und Verräterthesen sicherlich nicht überbewerten. CDU-Politiker gehen nicht so weit, sich gegenseitig so sehr zu schaden, dass sie einen gemeinsamen Wahlsieg gefährden.

Trotzdem setzen sich die Duz-Freunde gerade nicht besonders für Merkel ein.

Das Bemerkenswerte ist, dass sich keiner von den CDU-Granden traut, klar gegen den CSU-Chef Edmund Stoiber vorzugehen. Denn der eigentliche Antagonismus liegt zwischen CDU und CSU. Innerhalb der CDU hat Merkel immer noch genügend Rückhalt.

Aber auch auf den Regionalkonferenzen wird jetzt gemault. Merkel bedient vielleicht die Städter, Frauen, Nord- und Ostdeutschen, Jungen –, nicht aber den westdeutschen Altherrenbauch.

Ja, aber das war und ist ihr Erfolgsrezept. Merkel sollte und muss die Wechselwähler holen. Dass sie nun bei den 12 oder 13 Prozent Stammwählern auf Protest stößt, hat weniger mit ihrer kulturellen Fremdheit zu tun, sondern damit, dass sich dazu eine ökonomische Konfliktlinie gesellt. In den Wirtschaftsfragen hat sich die Debatte zu Begriffen verdichtet: „Kopfpauschale“, „Kündigungsschutz“. Das muss die Basis jetzt verarbeiten.

Oder hat Merkel unterschätzt, wie sehr der westdeutsche Altherrenbauch gepflegt werden will? Konservative sehen sich ständig bedroht; sie wähnen linke 68er auf allen entscheidenden Posten.

Nein, das Problem ist, dass Merkel in den harten Wirtschaftsfragen noch nicht jene Klarheit gewonnen hat, wie ein Friedrich Merz sie verkörpert hat. Merkel muss nun die Frau mit der Wirtschaftskompetenz werden. Denn Wahlen werden nun einmal mit Wirtschaftsthemen gewonnen, nicht mit den soften Familien-, Gleichstellungs- und Umweltthemen für Städter, Frauen und junge Leute.

Also harte Wirtschaft für die westdeutschen Männer, Familien- und Bildungsfragen für den Rest. Ist das nicht ein bisschen viel der Ansprüche?

Es ist eine Menge. Und Merkel muss sehen, dass sie aus der Defensive herauskommt. Gegenwärtig wird eher sie für die Krise der Union verantwortlich gemacht statt Stoiber – zu Unrecht. Aber man muss bei allem Krisengerede sehen, dass es sich dabei um Jammern auf hohem Niveau handelt: Gemessen an der SPD steht die Union in allen Umfragen nach wie vor gut da.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN