Ausländische Fachkräfte gesucht

Zuwanderungsrat will 25.000 Fachkräfte anwerben. Innenminister Otto Schily äußert sich eher skeptisch und will „interessante Ideen“ erst mal „sorgfältig prüfen“

BERLIN taz ■ Das erste Jahresgutachten des Zuwanderungsrates ist fast 500 Seiten dick, sein politisches Gewicht muss sich noch zeigen: Im nächsten Jahr sollten rund 25.000 dringend benötigte Fachkräfte angeworben werden, schlägt das Sachverständigengremium um die CDU-Politikerin Rita Süssmuth vor. Gebraucht würden vor allem qualifizierte Pflegekräfte, Ingenieure und Personal für die Versicherungs- und Bankenbranche. Bei Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) stieß der Vorschlag der Experten schon bei der offiziellen Präsentation gestern in Berlin auf erkennbare Skepsis: „Ob wir das realisieren, müssen wir noch erörtern.“

Die „Engpass“-Branchen wurden ermittelt durch Indikatoren wie die Arbeitslosen- oder Vakanzquote, erläuterte Ratsmitglied Christoph Kannengießer, der für die Arbeitgeber auch im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit sitzt. Das benötigte Zuwanderer-Kontingent solle Jahr für Jahr neu berechnet werden, um Engpässe am Arbeitsmarkt zu beseitigen.

Arbeitskräfte sollten nur bei nachgewiesener Qualifikation und einem konkretem Arbeitsplatzangebot ins Land geholt werden. Ungelernte Billigkräfte wie Spargelstecher wolle der Rat nicht anwerben. „Wie viele Arbeitskräfte wirklich kommen, hängt letztlich von der Nachfrage ab“, sagte Kannengießer.

Entscheidend dürfte jedoch zunächst sein, ob der Vorschlag des Süssmuth-Gremiums überhaupt den nötigen politischen Rückhalt findet. Für die Kontingentregelung wäre laut den Sachverständigen eine zusätzliche Ausführungsverordnung nötig. Dieser müsste auch der Bundesrat zustimmen, in dem die Union dominiert.

Schily machte keinen Hehl aus seinen Bedenken und sprach von einer „interessanten Idee“ der Sachverständigen. Angesichts von mehr als vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland müsse er den Vorschlag einer Kontingentierung zunächst „sehr, sehr sorgfältig prüfen“ und auch mit SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement erörtern. Der Innenminister warnte davor, den Zuwanderungsbedarf zu überschätzen. Er wünsche, dass die gewünschten 25.000 Arbeitsmigranten „nicht zu einer Zahl werden, die ihr Eigenleben entfaltet“.

Auch unter den Sachverständigen gibt es Zweifel an der Halbwertszeit der Berechnung: Ob die Zahl angesichts der jüngsten Krisen bei Opel und Karstadt noch gültig sei, müsse sich zeigen, so der Volkswirtschaftler Gert Wagner. Süssmuth indes verteidigte das Konzept. Sie habe nicht erwartet, dass jeder Vorschlag des Sachverständigenrates „sofort positive Resonanz hat“, sagte sie an Schilys Adresse.

Die Kommission macht sich in ihrem Gutachten auch für eine bessere Integration von Zuwanderern stark. Gerade bei der Sprachförderung gebe es noch erhebliche Defizite. Gleichzeitig wollte Süssmuth nicht so weit gehen, die Integration als gescheitert zu bezeichnen. Die CDU-Politikerin warnte davor, Vokabeln wie „Ghettoisierung“ und „Parallelgesellschaft“ unreflektiert zu übernehmen.

Insgesamt bleiben wegen der bisherigen Zuwanderungspolitik nach Ansicht der Experten in Deutschland viele Potenziale ungenutzt. Deshalb lohne auch der Blick ins Ausland, riet Süssmuth: „Die schicken einen hochkarätigen Raumfahrtspezialisten nicht zu Langnese, um dort Spinatblätter zu zählen.“ ASTRID GEISLER