NPD zieht in Sächsischen Landtag ein

Bei der konstituierenden Landtagssitzung in Dresden drehte sich gestern eigentlich alles um die NPD – das begann schon bei der Eidesformel für die Abgeordneten. Alterspräsident Cornelius Weiss bat um „Toleranz und Fairness im Wettbewerb“

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Der Tagesordnungspunkt null im Sächsischen Landtag gehörte gestern der PDS-Fraktion. Weit vor der Morgenandacht in der Krypta des Hauses ehrte sie frühere Landtagsabgeordnete, die von den Nazis ermordet wurden. Vorsorglich sicherte die Polizei mit massiver Präsenz die Gedenkstätte in einem ehemaligen Gefängnis. Doch blieb dieser Termin eher unbeachtet; es fanden sich nur etwa 200 Demonstranten ein, um gemeinsam gegen die NPD zu demonstrieren.

Im Plenarsaal dann das umgekehrte Bild. Eine riesige Traube von Fotografen und Kameramännern umringt die Bänke ganz rechts außen. Völlig unbeachtet schleicht sich hingegen Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) ins Parlament und gibt einigen Hinterbänklern die Hand.

Wie sehr die NPDler die Themen diktieren, das wird bald darauf in der ersten Debatte der neuen Legislatur deutlich. Die Verpflichtungserklärung, die von jedem Abgeordneten analog der Vereidigung eines Ministers abzugeben ist, hat plötzlich ihre Unschuld verloren. „Ihre ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen“ sollen die Parlamentarier. Das klingt nun so, als stamme es von der NPD, werden doch die Minderheiten nicht erwähnt. Die PDS versuchte deshalb vergeblich, die Formulierung durch jene Volksdefinition zu ersetzen, die in der sächsischen Landesverfassung gebraucht wird. Sie schließt die Sorben und andere Volkszugehörigkeiten ein. Der noch amtierende CDU-Justizminister Thomas de Maizière antwortete auf diesen Vorschlag, er wolle sich seinen aufgeklärten Patriotismus nicht durch ein angebliches NPD-Monopol auf nationale Fragen zerstören lassen.

SPD-Alterspräsident Cornelius Weiss, ehemaliger Rektor der Leipziger Universität, hatte zuvor in einer sehr selbstkritischen Eröffnung für eine glaubwürdige Politik jenseits der „von Marketingstrategen, Medienberatern und Kommunikationstrainern produzierten wohlklingenden Worthülsen“ geworben. Auch hier schwang latent stets der Wahlerfolg der NPD mit. Hinsichtlich des Umgangs mit der suspekten Fraktion hatte Weiss schon im Vorfeld für Höflichkeit und einen unbeirrten Stil der Demokraten plädiert. Auch gestern hielt er „Toleranz und Fairness im Wettbewerb“ für die besten Antworten.

Dass diese Toleranz Grenzen hat, stellte die grüne Fraktionschefin Antje Hermenau nochmals vor dem Plenum klar. „Wir werden ihnen eine Instrumentalisierung der Demokratie für deren eigentlich gewollte Abschaffung nicht durchgehen lassen“, wandte sie sich an NPD-Fraktionschef Holger Apfel. Der begnadete Demagoge hatte sich als „wahrhafter Demokrat“ und „letzte moralische Instanz in diesem Hause“ präsentiert.

CDU-Landtagspräsident Erich Iltgen wurde zwar von drei Vierteln der 124 Abgeordneten zum vierten Mal in dieses Amt gewählt. Bei der Debatte um die neue Geschäftsordnung aber endete der Konsens. Die wahrscheinlichen Koalitionspartner SPD und CDU setzten ihre Interessen gegen die kleinere Parteien durch. Zwar hat die SPD einige Vetorechte der bislang allein regierenden Union einschränken können. So können Personalvorschläge der Fraktionen bei der Besetzung von Ausschüssen und Gremien nicht mehr durch die Parlamentsmehrheit blockiert werden. Vorrechte der Staatsregierung wurden ebenfalls beschnitten – etwa ihr Privileg zu entscheiden, wann sie Anfragen beantwortet. Die Opposition ist jedoch mit den Minderheitenrechten noch nicht zufrieden und verlangt beispielsweise Drittelquoren statt Mehrheitsentscheidungen etwa bei der Dringlichkeit von Anträgen.

Ein Ministerpräsident konnte wegen der andauernden Koalitionsverhandlungen noch nicht gewählt werden. Kommt es voraussichtlich Mitte November dazu, wird Georg Milbradt einen Gegenkandidaten haben: den langjährigen NPD-Funktionär Uwe Leichsenring aus Königstein in der Sächsischen Schweiz.