Anti-Atom-Protest wird zum Kulturevent

Vor dem siebten Castor-Transport nach Gorleben üben sich Aktivisten und Polizei in Deeskalation und Versteckspielen

HANNOVER taz ■ Atomkraftgegner und Polizei griffen zu bemerkenswert ähnlichen Formulierungen, als sie gestern in Hannover nacheinander ihre Vorbereitungen für den bevorstehenden nächsten Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben präsentierten. „Fantasievolle, friedliche und vielfältige Protestaktionen“ kündigte etwa der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Francis Althoff, an. Und der Einsatzleiter der Polizei, Friedrich Niehörster, erklärte, er erwarte einen „sympathischen bunten Protest“, der sich mit dem Versammlungsrecht vereinbaren lasse, und „allenfalls ganz vereinzelt gewaltbereite Demonstranten“.

Tatsächlich haben die wendländischen AKW-Gegner neben Demonstration und Blockaden diesmal unter dem Stichwort „Castorelle Landpartie“ vor allem Kulturveranstaltungen vorbereitet, um gegen den Transport von zwölf weiteren Berhältern mit hochradioaktivem Müll in das Gorlebener Zwischenlager zu protestieren. Da gibt es am Samstag um 13 Uhr ab Dannenberg zwar zunächst eine ganz traditionelle Auftaktdemo. Aber dann stehen Laternenumzüge, Punk-Rock-Konzerte und Liederabende sowie Open-Air-Kinovorführungen auf dem Programm.

Für die Transporttage liegen den Behörden 59 versammlungsrechtliche Anmeldung vor. Die Kulturveranstaltungen, die man noch nicht anmelden muss, eingerechnet, hat Einsatzleiter Niehörster bereits „120 Events im Wendland“ gezählt. Trotz der beschworenen Friedfertigkeit hat sich die Polizei allerdings erneut ordentlich gerüstet. 13.000 Beamte stehen Niehörster zur Bewachung des letzten Stücks der Castor-Route, der Bahnstrecke von Lüneburg nach Dannenberg und der Straßen weiter nach Gorleben, zur Verfügung. Er hofft allerdings, einen Teil der Polizisten aus allen Bundesländern frühzeitig wieder nach Hause schicken zu können.

Die Bezirksregierung Lüneburg hat trotz alledem wiederum ein Demonstrationsverbot erlassen, das in einem 50 Meter breiten Korridor beiderseits der Castor-Strecke zwischen Lüneburg und Gorleben gilt – wenn die Bürgerinitiative es nicht noch gerichtlich zurückweisen lassen kann. Spontane Demonstrationen sollen dort ab Samstag nicht mehr erlaubt sein, angemeldete ab Montag. Nach Informationen der BI wird der Transport, der die Zahl der Castoren im Zwischenlager Gorleben von 32 auf 44 erhöhen soll, am Sonntagabend nahe der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten und am Montagmittag bei Lauterbourg die deutsch-französische Grenze passieren. Die Polizei rechnet mit 4.000 Castor-Gegnern.

Bei aller Kultur sollen aber auch Blockaden nicht zu kurz kommen. Die gewaltfreien Gruppen um „X-tausendmal quer“ bereiten sich auf Aktionen im Raum Hitzacker vor, und die Gruppe „WiderSetzen“ auf der Straße von Dannenberg nach Gorleben. Auch die Landwirte wollen mit ihren Treckern möglichst nah an die Strecke kommen. Die Kulturveranstaltungen seien meist dicht an der Route geplant. Und ins Autokino könne ein Bauer der Bäuerlichen Notgemeinschaft auch mit seinem Traktor fahren. JÜRGEN VOGES