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urdrüs wahre kolumneEine Nacht mit 30 Sternen

Alles redet vom Klimawandel, und nun hat Landwirt Bolte (!) aus dem Nienburgischen sein Spargelfeld auch noch mit einer Bodenheizung versehen, damit die Kolben schon vor Ostern auf den Tisch kommen. Wenn das erst, schielend auf den Raritätenpreis von 14 Euro, demnächst noch mehr Bauern machen, steigt die Temperatur nicht nur im Dörfchen Steimbke glatt noch um ein Grad an – und den Spargel gibt es schon zu Aschermittwoch als Fastenspeise! Das alles stand übrigens im Nordteil der Welt – am 1. April: Sollte das ein Scherz gewesen sein, dann lag er doch sehr auf der Linie kollektiver Unvernunft in diesem Reich der Lemminge mit ihren Erdbeeren zu Weihnachten und der Wochenendflugreise nach Rom (obwohl in Hannover doch auch schon die Krokusse blühen).

Das frühlingsgefühlige Herz konnte einem im Leibe hüpfen beim Anblick des Fotos unlängst auf der taz-bremen-Seite: ein Riesenhaufen mit Mercedes-Sternen aus dem Lagerbestand der örtlichen Daimlerbude. In meinen jungen Jahren habe ich einst mehr als 30 solcher Kleinodien in einer einzigen Nacht frisch von ihren Neuwagen gepflückt und der verehrten Wohngenossin Pia aufs Kreuzberger Hochbett gebracht – mit sehr positiver Resonanz. Wird derlei Brauchtum eigentlich noch in Ehren gehalten?

Wenn die schleswig-holsteinische Trinkerjugend beim Schülerausflug in die Türkei irgendwo im Über-5-Promille-Bereich abstürzt und jetzt angesichts der komatösen Folgen über tödlichen Gift-Raki spekuliert wird, sei daran erinnert: In entsprechender Dosierung gibt es auch den mindestens so gefürchteten Todes-Aquavit.

Ich muss am Bratwurststand in der hannöverschen Innenstadt etwas zu lange mit dem Studium der Preisliste zugebracht haben, denn plötzlich spricht mich die Dame vom Grill an, reicht mir eine etwas verbrutzelte Wurst über den Tresen und meint: „Nimm mal mit, Papa. Aber erzähl’s nicht deinen Kumpels, dass die dann alle ankommen.“ Vielleicht hätte ich mit einem Harry Rowohlt an meiner Seite auch noch ein Getränk bekommen – in jedem Fall: Vergelt’s Gott, schöne Frau!

Ob auch der Bremer Polizeigewerkschaftler Jürn Schulze das Kosewort „Waffennarr“ für polymorph perverse Splatter-Freaks verdient hat? Als Landesvorsitzender der Bullizei-Beamten sprach er sich gegen eine Verschärfung des Waffengesetzes mit den schönen Worten aus, „dass nicht jeder Gotcha-Spieler ein Amokläufer ist“. Dem stimmen wir zu – mit dem Hinweis, dass nicht jeder Polizist auch ein rassistisches Arschloch ist oder gar mit Vorsatz jugendliche Einbrecher erschießt. Nee, gibt immer so’ne und solche!

Bei einem Besuch des Fachmarkts „Fressnapf“ (mit Nagerabteilung!) in meinem Heimatstädtchen Rinteln sehe ich mich mit der Frage einer älteren Kundin konfrontiert, ob sich ihre Katze eher über einen Quietschball oder ein aufgehängtes Glöckchen vom Osterhasen freuen würde. Da ich Minka nicht kenne, konnte ich nur äußern, dass mir, an ihrer Stelle, wohl am liebsten eine Maus wäre.

Von allzu naheliegenden Einsendungen abzusehen, bittet nun dennoch inständig ULRICH „Tomcat“ REINEKING

Hinweis:Sicher: ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, gesteht auch Mäusen ein Existenzrecht zu – er ist allerdings auch keine Katze.

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