herr tietz macht einen weiten einwurf
: Nichts als ein Händedruck

Auch Fritz Tietz würde bei der Fußball-WM 2006 gerne mithelfen – als Betreuer der brasilianischen Spielerfrauen

Fritz Tietz ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport

Ausgelobt vom Organisationskomitee (OK) der Fußball-WM 2006 in Deutschland kann man sich seit Montag über die Internetseite der Fifa für die Freiwilligen-Aktion „Volunteers 2006 –Team der Hilfsbereiten“ rekrutieren lassen. Gesucht werden 15.000 Volunteers, also ehrenamtliche Helfer, die sich während der WM in den zwölf deutschen Austragungsstädten als „Arsch vom Dienst“ bzw. „Mädchen für alles“ ausbeuten lassen. Vom Frem- den-, VIP- und Hotelführer über den Parkplatz- und Tribünensitzeinweiser bis hin zum Ticketing-Manager, wie man den Kartenabreißer heutzutage heißt, sind da eine Menge unbezahlter Jobs zu vergeben. Als Lohn der, wie OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach schon mal unkte, 24-Stunden-Fron pro Arbeitstag winken lediglich eine einheitliche Dienstkleidung, die Einsatztagesverpflegung sowie eine Urkunde. Für die Unterkunft am WM-Einsatzort und die Anreise dorthin muss man selbst sorgen. Mit etwas Glück ist noch ein warmer Händedruck drin, verabreicht durch Alt-Bundespräsident Johannes Rau, dem Schirmherrn von „Volunteers 2006“.

Kaum anzunehmen allerdings, dass vor allem deshalb bereits am ersten Rekrutierungstag über 5.000 Bewerbungen eingingen. Auch die von Bundesinnenminister Otto Schily beschworene angebliche Ehre, als WM-Helfer eine Art Visitenkarte Deutschlands sein zu dürfen, ist wohl kaum ein entscheidender Bewerbungsgrund. Sehr wahrscheinlich wird man nämlich statt der Visiten- nur die Arschkarte ziehen, weil nämlich der WM-Freiwilligen-Einsatz hauptsächlich darin besteht, hormongedopten britischen Schlachtenbummlern den Weg in den nächsten Puff zu weisen, alcogepoppte deutsche Teenager-Fans aus ihrem Erbrochenen zu ziehen oder an italienischen Fascho-Hools Leibesvisitationen vornehmen zu müssen. Nein, der eigentliche Antrieb für ein Freiwilligen-Amt dürfte einzig aus der vagen Hoffnung erwachsen, einen der wenigen wirklich attraktiven Jobs zu ergattern. Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Spielerfrauen ist zum Beispiel eines dieser begehrten Ehrenämter, insbesondere die Betreuung der brasilianischen Nationalspielerfrauen gilt als Top-Freiwilligen-Job schlechthin.

Andere Freiwillige spekulieren dagegen eher auf einen der spärlichen Helferposten innerhalb eines WM-Stadions, um so vielleicht ein, zwei Spiele live und gratis miterleben zu können. Doch Vorsicht! Eingeteilt etwa als Security-Kraft kann man zwar durchaus im Stadion und sogar an dessen Spielfeldrand landen, muss dann aber, so schreiben es die Sicherheitsbestimmungen der Fifa vor, seinen Kontroll- und Securityblick unverwandt auf das Publikum richten. Auch als ehrenamtlicher Mundschenk von DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder (MV) wird man ins Stadion gelangen, jedoch auch dort wenig vom Spiel mitbekommen. Zu sehr dürfte man damit beschäftigt sein, den Kühle-Getränke-Nachschub für MV zu sichern und speziell für die vielen Schnäpse zwischendurch ständig zwischen Ehrentribüne und Stadion-Bar rochieren müssen.

Selbst für den Fall, dass ich ein WM-Ehrenamt bekleiden wollte: Nach den Bewerbungsunterlagen würde ich wohl keines anvertraut bekommen. Zwar erfülle ich die Mindestanforderung der Volljährigkeit, und einen festen Wohnsitz habe ich auch. Doch schon bei den „ausreichenden Sprachkenntnissen“ müsste ich passen; ein Großes Latinum und das Graecum sind jedenfalls für den Hilfsdienst bei einer WM nicht gefragt. Auch um meine bisherigen Erfahrungen bei sportlichen Großereignissen ist es eher schlecht bestellt. Außer dem Amt eines Riegenführers bei den Bundesjugendspielen 1977 kann ich nichts vorweisen. Davon abgesehen wird der einzige, mir ausübenswert erscheinende WM-Job gar nicht an einen Freiwilligen vergeben: die Verbringung nämlich sämtlicher WM-Gewinne in den nächstgelegenen Fifa-Geldspeicher. Wo sie selbstverständlich nie ankämen. Wäre doch auch zu blöd, mit einem Geldbatzen im Gepäck, mit dem man die zigfache Anzahl der 15.000 Volunteers leicht zu Millionären machen könnte, nicht durchzubrennen.