Rosenregen zum Abschied

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft verliert mit Schwarzer, Petersen, Zerbe und Kretzschmar vier Leistungsträger. Nicht nur Bundestrainer Brand sieht das mit Wehmut

KIEL taz ■ Sie standen nach dem Abpfiff inmitten der 10.000 Zuschauer in der Kieler Ostseehalle wie Schuljungen: Die Arme hinter dem Rücken versteckt, die Lippen fest aufeinander gepresst, verlegen auf ihre Schuhe starrend. Die deutschen Kreisläufer Christian Schwarzer und Mark Dragunski sowie Rückraum-Riese Volker Zerbe, Abwehrbollwerk Klaus-Dieter Petersen sowie Linksaußen Stefan Kretzschmar spielten am Dienstag zum letzten Mal im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Beim Freundschaftsländerpiel gegen Schweden verabschiedeten sich zudem auch der Welthandballer des Jahrhunderts, Magnus Wislander, und sein Mannschaftskollege Staffan Olsson. „Es wird kein Comeback mehr geben“, sagte Olsson nach dem Spiel.

Die Abschiedsgala nach der 31:32-Niederlage der Deutschen dauerte solange wie ein Handballspiel inklusive Pause. Mit Harz an den Fingern und dem Ball in der Hand hätten sich die Sieben sicher wohler gefühlt. So aber mussten sie Hände schütteln und dem Knabenchor lauschen, der sich um sie herum postiert hatte. Vor der Holzbühne standen die Jungen, die Stars von morgen, und sangen zusammen mit den Zuschauern zum Abschied der Alten „Für euch soll’s rote Rosen regnen“. Selbst der sonst so coole Stefan Kretzschmar musste da kurz lächeln und drehte verlegen ein paar blonde Haarspitzen zwischen den Fingern, während das Publikum zwei Minuten lang „Kretzsche, Kretzsche“ tönte.

Das Länderspiel der deutschen Handballer gegen die schwedischen war der letzte Auftritt von sieben Spielern, die in 2.011 Länderspielen zusammen 5.005 Tore warfen. Dass die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand im 84. Spiel gegen die Skandinavier zum 42. Mal verlor, wurde da zur Nebensache. Es war vor allem ein Abschieds-, aber eben auch ein Testspiel. Schließlich muss Brand nach dem Abgang von Petersen und Zerbe in der Abwehr einen neuen Mittelblock formieren. Auch Kreisläufer Schwarzer und Linksaußen Kretzschmar sind nur schwer zu ersetzen.

Und so testete der Bundestrainer über 40 Minuten lang sein neues Personal. Gänzlich unbeirrt vom Pfeifkonzert des Publikums, das den Kieler Petersen bei Strafwürfen forderte, schickte Brand zweimal Frank von Behren zum Siebenmeterpunkt. In der zweiten Halbzeit standen zeitweise gar fünf Spieler unter 25 Jahren auf dem Feld. Nur in den letzten 10 Sekunden vereinten Brand und sein Gegenüber Ingemar Linnell die fünf ausscheidenden deutschen Stars mit den beiden schwedischen Legenden Wislander und Olsson. Es oblag Volker Zerbe, in den letzten Sekunden doch noch den Ausgleich zu erzielen. Doch der 2,11-Meter-Hühne traf nur das Netz hinter dem Tor.

Mit dem Schlusspfiff gingen die Lichter in der Ostseehalle aus. Was dann folgte, ähnelte einer Weihnachtsfeier. Von DHB-Präsident Ulrich Strombach gab es Rotwein, von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis Erlesenes (vom Shampoo bis hin zur Torwand), und vom Gastgeber des Abends, dem THW Kiel, Reisen auf dem Partydampfer „Aida“.

Bundestrainer Heiner Brand schaute sich derweil den Abschied seiner Spieler aus sicherer Entfernung von der Seitenauslinie an. Mit Wehmut war er in die Partie gegangen: „Es wird schwer, besonders in der Abwehr, gewisse Leistungen zu bringen. Aber der deutsche Handball hat große Perspektiven“, sagte er tapfer. So wird die WM im Januar zum Testlauf, auch wenn Brand das nicht zugeben will – und es wird wohl einige Zeit dauern, bis man eine deutsche Mannschaft wieder im Finale eines großen Turniers bewundern darf. Der Bundestrainer schaut dennoch zuversichtlich in die Zukunft. „Ich war mit der gesanglichen und der spielerischen Leistung der Jungen zufrieden.“ CHRISTINA STEFANESCU