Rot-Grün will Schweden bei General Motors „neutralisieren“

Die europäische Konkurrenz schläft nicht: Deshalb muss jetzt auch der widerwillige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Opel-Krise zur „Chefsache“ machen

Freitag kommender Woche wird Schwedens Ministerpräsident Göran Persson nach Zürich reisen, um für den Standort Trollhättan zu werben

BERLIN taz ■ Es gibt Chefsachen, die sind so chefsachig, dass keiner etwas davon erfahren darf. So ließ die Bundesregierung gestern an keiner Stelle durchblicken, mit wem und worüber Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) denn nun beim US-Konzern General Motors rede, um seinen Beitrag zur Rettung der deutschen Opel-Werke zu leisten. Eine Reise zum GM-Sitz in Detroit oder auch zur GM-Europazentrale nach Zürich jedenfalls, erklärte eine Clement-Sprecherin, „wird nicht für erforderlich gehalten“. Dass Clement aber höchstselbst mit Detroit oder Zürich telefoniere, schloss niemand aus.

Clement hatte am Abend zuvor auf die Frage, ob Opel nun auch in Deutschland „Chefsache“ werde, mit „Ja“ geantwortet und dies auf sich bezogen (nicht etwa auf den Kanzler). Denn die schwedische Regierung hat auf das Unglück, das man dort auf den GM-Standort Trollhättan zukommen sah, längst reagiert. Im Februar war Schwedens Außenminister Leif Pagrotsky in Detroit. Und Freitag kommender Woche wird Schwedens Ministerpräsident Göran Persson nach Zürich reisen, um für Trollhättan zu werben. Es heißt, er habe eine Autobahnanbindung im Gepäck.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, erklärte gestern, die politischen Interventionen auf deutscher Seite dienten der „Neutralisierung – insofern, als die Schweden mit Spitzenpolitikern auf dem Weg sind“. Er selbst finde, „dass auch ein hochrangiger Vertreter dieses Landes nach Detroit reisen“ solle. Die SPD-Fraktion habe überhaupt erst beschlossen, das Thema Opel-Standorte auch im Bundestag zu diskutieren und ernsthafte Rettungsversuche von Clement zu fordern, um „mit der schwedischen Seite gleichzuziehen“. Es sei „Waffengleichheit“ notwendig.

Die etwas martialische Wortwahl Schmidts kennzeichnet die Haltung, mit der die deutsche Regierung in den von GM ausgeschriebenen europäischen Standortwettbewerb eingestiegen ist. Unverblümt hat Clement in den vergangenen Tagen schon erklärt, dass es das abgelegene schwedische Trollhättan infrastrukturell keinesfalls mit Rüsselsheim oder Bochum aufnehmen könne.

Anders als etwa Betriebsräte oder Gewerkschaft betont die Bundesregierung allerdings nur die Möglichkeit, die Standorte über das Jahr 2010 hinaus selbst zu sichern. Zur Frage der betriebsbedingten Kündigungen hat Clement zwar Optimismus signalisiert. Aber er sagte auch, der Arbeitsplatzabbau werde bestenfalls „steuerbar“, nicht aber verhinderbar sein. Auch Regierungssprecher Béla Anda nannte gestern als Regierungsziel lediglich, „dass alle deutschen Standorte gesichert bleiben“. Er konnte sich nicht erklären, was der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend damit gemeint haben könnte, als der morgens auch gute Aussichten in Sachen Kündigungen vermeldet hatte.

Was die konkreten Möglichkeiten angeht, in Deutschland angesichts des EU-Subventionsverbots politisch überhaupt etwas zu erreichen, fiel Wilhelm Schmidt gestern lediglich die „Bürgschaft“ ein. Diese sei allerdings „Ländersache“. Wenn also ein Investor beschließe, ein paar Millionen in einen Standort zu stecken, könne das Land eine Risikoabsicherung vornehmen. „Der Bund kann eher appellativ tätig werden.“

Ein SPD-Fraktionsmitglied erklärte der taz gestern, die SPD suche weniger die formale „Waffengleichheit“ mit Schweden als vielmehr eine Möglichkeit, die SPD in Nordrhein-Westfalen vor einem Untergang bei den Landtagswahlen im Mai zu retten. Sollten also die Verhandlungen zwischen Betriebsrat, Opel-Vorstand und GM erfolgreich sein und sollte ein Verlust von 4.000 Stellen in Bochum vermieden werden, könne die rot-grüne Landesregierung unter Peer Steinbrück dies für sich reklamieren. Sollten die Verhandlungen in den kommenden Wochen dagegen in den angekündigten Stellenabbau münden, darf dies bestenfalls nach Schuld der Gewerkschaft aussehen. Die habe sich ja bislang dämlich genug angestellt.

Béla Anda betonte gestern aber zur Sicherheit grundsätzlich: „Wir haben uns von dem Schielen auf Wahlen frei gemacht.“ ULRIKE WINKELMANN