Fast systematisch verschwiegen

Chansonneuse Evelin Förster hat die Salon-Lied-Komponistinnen des frühen 20. Jahrhunderts wiederentdeckt

„Ein Leben lang könnte ich mich damit beschäftigen“, kommentiert die Schauspielerin und Chansonsängerin Evelin Förster die Ergebnisse ihres einjährigen Forschungsauftrages, Chanson-Kompositionen von Frauen aus den Jahren 1901 bis 1935 zu finden. Heute abend stellt sie im Sophie Drinker-Institut einen kleinen Teil ihrer Recherchen unter dem Titel „Die Frau im Dunkeln“ vor.

Angefangen hatte alles, als die gelernte Tänzerin, Sängerin und dann Schauspielerin nicht mehr von Jahr zu Jahr von Theater-Engagements abhängig sein wollte. „Das geht so nicht, da muss ich mir was anderes aufbauen“, habe sie sich gesagt. Ihre Stimme, einst ein hoher Sopran, war inzwischen in tiefste Tiefen à la Zarah Leander herabgerutscht, und ihre dreifache Ausbildung prädestinierte sie geradezu zur Chanson-Sängerin.

Wie kam es zu der Suche? „Mir fiel eigentlich erst auf, dass es keine Chansons von Frauen gab, als ich ein Foto von Eddy Beuth entdeckte: eine Frau!“ Vorher habe sie die Salon-Komponistin für einen Mann gehalten. Dann ließ es sie nicht mehr los. Sie suchte in Archiven, Antiquariaten, Trödelmärkten und vor allem in privaten Nachlässen. „Können Sie denn überhaupt recherchieren? Sie sind doch Sängerin?“ – diese Frage musste sie sich mehr als einmal gefallen lassen. Ihre Antwort: Sie habe trotzdem Lesen und Schreiben gelernt. Förster wertete Autographen aus, im Falle der Thomas Mann-Tochter Erika Mann, der Leiterin des Kabaretts „Die Pfeffermühle“: 1935 wurde ihr deshalb die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach ihrem Tod hat ein Pianist ihre verschollenen Lieder aus dem Gedächtnis aufgeschrieben. Abgesehen davon, dass viele Komponistinnen Jüdinnen waren, kann sich Förster dieses fast systematische Vergessen kaum erklären. „Das ist die schwerste Frage überhaupt – eigentlich ein eigenes Forschungsthema.“

Einige Namen seien bekannt, ohne dass man mit ihnen die Komposition von Chansons verbinden würde: Erika Mann etwa, Claire Waldorff oder Gustaf Gründgens Schwester Marita. Die erstaunlichsten Entdeckungen seien aber Laura von Wolzogen, deren Mann das „Bunte Theater“ in der Berliner Köpenickstraße leitete, oder Emmy Hennings, deren Leben „so spannend ist, dass man ihre Biographie schreiben müsste“. Erst aus ihrem Nachlass ging hervor, welch zentrale Rolle Hennings im literarischen Leben ihrer Zeit gespielt hatte.

„Es war die Zeit, im Chanson die politischen, trivialen und erotischen Gedanken auszutoben.“ Deswegen verbindet sie die Musik mit dem Vortrag von zeitgenössischen Dokumenten, oft gefunden in Zeitschriften. „Ich denke, dass sich diese Zeit am stärksten im Kabarett-Chanson spiegelt.“ So lässt Förster in ihren Programmen die Epoche von 1901 bis 1935 kaleidoskopartig erstehen. Ute Schalz-Laurenze

Heute, 20 Uhr, Sophie-Drinker-Institut, Außer der Schleifmühle 28