das opfer ist immer der deutsche von WIGLAF DROSTE
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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hat, passend zum Tag der deutschen Einheit, die Nazipropaganda von der jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung aufgewärmt und sich ein „jüdisches Tätervolk“ gebastelt. Hohmann, von seiner Parteiführung halbherzig gerügt, rechtfertigte sich: Er habe keine „Gefühle verletzen“ wollen, „die Tatsachen sind aber richtig“.

Welche Tatsachen? Eine jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung hat es nicht gegeben, auch dann nicht, wenn sie in Martin Hohmanns Kopf existiert. Verehrung wurde Hohmann durch den Brigadegeneral Reinhard Günzel zuteil, den Chef der deutschen Klassenstreberkiller von der KSK. Der General nahm schriftlich Haltung an vor Hohmann: „Eine ausgezeichnete Ansprache …, wie man sie mit diesem Mut zur Wahrheit und Klarheit in unserem Land nur noch sehr selten liest und hört.“ Günzel wurde als „verwirrt“ entlassen und hat jetzt viel Zeit zum Lesen.

Hier ist eine Empfehlung für ihn: Am 27. Oktober fällt im Spiegel ein Günter Franzen über den Schriftsteller Uwe Timm und sein Buch „Am Beispiel meines Bruders“ her. Der kitschige Titel „Links, wo kein Herz ist“ gibt den Ton des Textes vor. Timm erzählt, gestützt auf Feldpostbriefe und Tagebuchaufzeichnungen die Geschichte seines Bruders, der sich freiwillig zur Waffen-SS meldet, in der Totenkopf-Division seinen Dienst tut, durch Amputation im Feldlazarett beide Beine verliert und 19-jährig stirbt. Aus dem Tagebuch seines Bruders zitiert Timm unter anderem: „75 m raucht Iwan Zigaretten, ein Fressen für mein MG.“

Die Distanz des Schriftstellers zu seinem Bruder missfällt Günter Franzen sehr. Er unterstellt Uwe Timm das „behagliche Gehäuse einer blitzsauberen Gesinnung“, dem zum Lohn „ein paar rot-grüne Stadtschreibereien winken“, als ob Timm auf so etwas aus wäre, und doziert, was Timm hätte schreiben müssen: „Uwe Timm könnte der Großvater dieses in der Weite Russlands verschollenen Neunzehnjährigen sein. Er könnte … ihm das Sterben erleichtern: Ich werde nie genau wissen, wer du bist und was du getan hast. Aber ich stehe dir bei, weil ich dein Bruder bin.“

Von dieser postumen Sterbehilfe hätte Uwe Timms Bruder nicht mehr das geringste gehabt; den Nutzen haben Berufsdeutsche wie Franzen, die an keiner historischen Erkenntnis interessiert sind, sondern an den dumpfen Banden des Blutes – so können sie aus den Deutschen die wahren Opfer des Krieges machen. Das nationale Geflenne hat Konjunktur, Franzen beherrscht es: „Am Beispiel der imaginären Geschwister, deren Platz wir eingenommen haben, sei erinnert an: die tausend in einer Nacht verbrannten Kinder von Heilbronn … die Unzahl der in den Armen ihrer verrückt gewordenen Mütter erstarrten Säuglinge, deren kleine Körper die vereisten Fluchtwege säumten …“ Wenn die Deutschen die wahren Opfer sein wollen, müssen andere die wahren Täter sein; so kommt auch ein „jüdisches Tätervolk“ in die Welt.

Martin Hohmann nennt das „Gerechtigkeit für Deutschland, und für Deutsche“. Sein Verehrer Reinhard Günzel soll Spiegel lesen, da findet er, was er gern und nur angeblich „sehr selten“ liest.