streikende in bochum
: Alles halb so wild

Es herrscht wieder Normalität im Bochumer Opel-Werk: Seit gestern um 15 Uhr sind die Mitarbeiter wieder bei der Arbeit – und damit zurück an dem Ort, der ihnen so lieb und teuer ist, dass sie für seine Rettung sechs Tage lang in einen wilden Streik getreten waren. Seit die Stahlwerker in Rheinhausen 1988 ihren Kampf um den Erhalt der Hütte verloren haben, hat kein Arbeitskampf das Ruhrgebiet so sehr bewegt wie der als „Dauerinformationsveranstaltung“ getarnte Ausstand der Opelaner. Doch wie die glücklosen Stahlwerker wird auch die Opel-Belegschaft die schleichende Abwicklung der Autofabrikation in ihrer Stadt nicht aufhalten.

KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN

Dazu passt, dass den Opel-Mitarbeitern bei der gestrigen geheimen Belegschaftsabstimmung schon einmal das Heft des Handelns aus der Hand genommen wurde. Der Abstimmungszettel, der Verhandlungen mit dem Streikende verknüpfte, ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Gewerkschaft diesen Streik nicht wollte und ihn mit einem Trick aus der politischen Kaderschule beendete. Jetzt werden die IG-Metall-Funktionäre das tun, was sie besser können als streiken: verhandeln.

Dass die Opel-Führung dazu überhaupt bereit ist, haben die Bochumer Betriebsratsvorsitzenden freilich ihrer mutigen Belegschaft zu verdanken. Das Ende der Streikaktion ist somit exakt der Stoff, aus dem neue Geschichten vom Verrat an den Arbeitern entstehen werden. Viel mehr als dies, die mit Legenden geschmückte sentimentale Erinnerung an sechs kalten Nächte und die Solidarität einer Region, die zu den Autobauern stand wie früher zu Bergleuten und Stahlwerkern, wird den Opelanern auch kaum übrig bleiben. Denn im einen wie im anderen Fall wehrte sich eine Kaste werkstreuer, stolzer Arbeitsleute, die es in Zeiten des globalisierten Kapitalismus eigentlich gar nicht mehr gibt.

Selbst wenn es Opel-Führung und Betriebsrat nun gelingt, den Standort Bochum „konkurrenzfähig zu machen“: Die bestehenden Werke in der Bundesrepublik werden mit Sicherheit „modernisiert“. Das heißt auch: Die Belegschaft wird ausgedünnt. Die neuen Feinmonteure der „lean production“ werden keine Blaumann-Proleten sein. Sie werden weiße Arbeitskleidung tragen und aseptische Produktionshallen kontrollieren. An die urwüchsige Kraft aufgeheizter Autobauer werden sie nicht mehr anknüpfen. Und wilde Streiks sind von ihnen auch nicht zu erwarten.