Wilder Streik endet ordentlich

Zwei Drittel der Opel-Belegschaft in Bochum sprechen sich für Wiederaufnahme der Arbeit aus. Betriebsrat verhandelt mit Management über Sparpläne. Mitarbeiter kritisieren IG Metall

BOCHUM/BERLIN taz ■ Die Belegschaft der Bochumer Opelwerke hat ihren „wilden Streik“ beendet. Nach siebentägiger Arbeitspause entschieden die Beschäftigten gestern auf einer außerordentlichen Belegschaftsversammlung, die Arbeit wieder aufzunehmen. Etwa 4.600 der 6.400 anwesenden Arbeiter sprachen sich in geheimer Abstimmung für ein Ende des Arbeitskampfes aus. Schon am Nachmittag um 15 Uhr liefen die Bänder wieder an.

Für Kritik der Mitarbeiter sorgte jedoch der vom Betriebsrat vorgelegte Stimmzettel. Mit der Formulierung „Soll der Betriebsrat die Verhandlungen weiterführen und soll die Arbeit fortgesetzt werden?“ hatten die Arbeitnehmervertreter zwei unabhängige Fragestellungen verknüpft. Streikbefürworter bezeichneten die Abstimmung deshalb als „undemokratisch“.

Der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Dietmar Hahn verteidigte das gewählte Verfahren: „Verhandeln und Wiederaufnahme der Arbeit sind untrennbar miteinander verbunden. Das eine funktioniert nicht ohne das andere“, sagte er. Für die heute beginnenden weiteren Gespräche mit General Motors fühle er sich gestärkt.

Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters begrüßte die Entscheidung der Bochumer Opelaner. „Das ist ein richtiges Signal der Belegschaft, das jetzt die Möglichkeit für Verhandlungen öffnet“, sagte er. Die Unternehmensführung von Opel, die den Forderungen der Streikenden nach Beschäftigungs- und Standortgarantien bislang nicht nachgekommen ist, dankte den Beschäftigten. Man sehe „der weiteren Arbeit mit den Betriebsräten und der Bochumer Belegschaft nun mit Zuversicht entgegen“, teilte die Konzernzentrale in Rüsselsheim mit.

Mit beträchtlicher Erleichterung reagiert auch die Bundesregierung auf wieder anlaufende Bänder und Verhandlungen. „Ich freue mich von Herzen“, sagte der sonst so spröde Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Bundestag. „Nun setze ich darauf“, dass sowohl sämtliche Standorte von Opel – Bochum, Rüsselsheim, Kaiserslautern; und Eisenach „sowieso“ – erhalten blieben als auch betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden könnten.

Die rot-grüne Koalition ist seit Vorlage der jüngsten Wirtschaftsprognosen damit beschäftigt, Optimismus zu verbreiten. Deutschland sei etwa laut den Unternehmensberatern von Ernst & Young der drittbeliebteste Standort weltweit, führte Clement an. Auch sei die Opel-Krise auf falsche Unternehmensentscheidungen der letzten 15 bis 20 Jahre zurückzuführen und habe mit dem Automobilstandort Deutschland nichts zu tun: „Denn der ist weltweit der beste.“

Die Opposition hielt dem entgegen, dass auch die Regierung schuld am Opel-Problem sei. Sie habe Stellenabbau begünstigt, Abgaben und Steuern nicht ausreichend gesenkt. „Bei Ihnen müssen doch die Alarmglocken schrillen“, rief die Unions-Wirtschaftspolitikerin Dagmar Wöhrl. „Wir werden nächstes Jahr wieder die Letzten in Europa sein mit dem Wachstum.“ Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler riet ihr daraufhin: „Gehen Sie in den Keller, schließen Sie die Tür und blasen Sie Trübsal.“

Am vergangenen Donnerstag hatten die Bochumer Opelaner die Arbeit niedergelegt, nachdem der Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) angekündigt hatte, in Europa innerhalb von zwei Jahren bis zu 12.000 Stellen streichen zu wollen. 10.000 davon sollten auf deutsche Standorte entfallen, und zwar je 4.000 allein auf Bochum und Rüsselsheim. Damit sollten die Fixkosten bis 2006 um 500 Millionen Euro im Jahr gesenkt werden. GM hat bislang nicht erklärt, von diesem Ziel abrücken zu wollen. KAN, UWI

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