Wer nicht ausbildet, muss bald zahlen

Bundesanstalt für Arbeit verkündet gestiegenes Lehrstellendefizit – damit ist sicher: Ausbildungsplatzabgabe kommt

BERLIN taz ■ In der SPD-Fraktion gilt die Ausbildungsplatzabgabe fast schon als beschlossene Sache. Seit gestern gibt es neue Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit – und sie machen es noch schwieriger, weiterhin für unverbindliche Selbstverpflichtungen zu argumentieren: „Die Umlage kommt, da bin ich sicher“, sagte der SPD-Abgeordnete Willi Brase gegenüber der taz: Ende September fehlten 24.000 Lehrstellen – fast 4.000 mehr als im Vormonat.

Am Dienstag wird die SPD-Fraktion die Eckpunkte der Abgabe beschließen: 1 Prozent der betrieblichen Lohnsumme werden fällig, wenn Unternehmen eine bestimmte Ausbildungsquote nicht erreichen. In Unternehmen mit mehr als 500 ArbeitnehmerInnen müssen 3 Prozent der Beschäftigten Lehrlinge sein, um die Quote zu erfüllen. Die Quote steigt auf 8 Prozent in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten. Ob auch Kleinstbetriebe mit weniger als zwölf Arbeitnehmern zahlen müssen, ist noch unklar. Offen ist auch, ob in einen zentralen Stiftungsfonds eingezahlt wird. Der SPD-Abgeordnete Willi Brase plädiert für Branchenfonds, Fraktionschef Müntefering dagegen für einen zentralen Stiftungsfonds.

Ende September standen 37.800 Bewerbern nur 13.800 offene Lehrstellen gegenüber. Damit sind 24.000 Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHT) hatte zuvor prognostiziert, das Defizit werde auf 15.000 fehlende Lehrstellen sinken. Zwar konnten durch Nachvermittlungsaktionen zum beginnenden Ausbildungsjahr noch rund 6.600 Altbewerber vermittelt werden, gleichzeitig kamen aber mehr als 11.000 neue Bewerber hinzu, von denen die meisten bisher nicht vermittelt wurden.

IG-Metall-Vorstand Erwin Vitt warf den Unternehmen vor, die Frist zur Nachvermittlung der Azubis nicht genutzt zu haben: „Die Nachvermittlungsaktion ist ein Flop“, so Vitt. Geerd Woortmann, Bereichsleiter Bildung des DIHT, nennt die Nachvermittlungsbemühungen dagegen „erfolgreich“ und hofft, dass Rot-Grün sich doch noch besinnt, die Abgabe nicht einzuführen: „Wir haben kein Verständnis für diese Ausbildungsplatzabgabe.“

SPD-Linke fordern schon lange, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, die sich der Ausbildung verweigern. Ein Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe wäre im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig und könnte daher auch ohne Zustimmung der Union durchgesetzt werden.

THILO SCHMIDT

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