Die Nordsee wird abgefackelt

Heute protestieren niederländische und deutsche Umweltschützer gegen die Ausbeutung des Wattenmeers – mit einer Fackelkette von Den Helder bis Borkum. Deren Qualm vernebelt die knallhart-ökonomischen Interessen einiger „Unterstützer“

Plötzlich entdeckt sogardie InselgemeindeBorkum den Naturschutz als ihr eigenes ThemaUups! Ganz aus Versehen als Unterstützer der Aktion aufgelistet:das Land Niedersachsen

Aus dem Watt Thomas Schumacher

Das Schöne an Naturschutzverbänden sind die Tiere. Greenpeace tanzt mit dem Wal und der NABU klappert mit jedem Storch. Wer wollte da nicht spenden, um die Natur zu schützen? Auch der Schutz der Nordsee kommt immer gut an. Damit das Wattenmeer zum „Weltkulturerbe“ befördert wird, organisiert der niederländische Umweltschutzverband „waddenvereniging“ mit deutscher Unterstützung einen grenzüberschreitenden „Lichterring“ entlang der friesischen Küste von Den Helder bis Borkum. Im Qualm der erwarteten 5.000 Fackeln fällt gar nicht mehr auf, dass zumindest auf deutscher Seite ganz andere als Naturschutzinteressen vertreten werden.

Hintergrund der Fackelaktion ist eine Parlamentsdebatte in den Niederlanden am 9. November. „Die konservative Balkenende-Regierung möchte bestehende Auflagen zur Nutzung des Wattenmeeres lockern“, erklärt die Mitorganisatorin des „Lichterrings“, Joke Skoop, von der niederländischen waddenvereniging. „Schon jetzt werden die auf dem Papier stehenden Schutzmaßnahmen für die Nordsee unterlaufen.“ Eiderentensterben wegen Überfischung der Muschelbänke, Miesmuschelsterben, Plünderung der Fischgründe, extreme Gasförderung und der Bau riesiger Gewächshäuser direkt an der Küste, darauf will die waddenvereniging mit ihrer Aktion aufmerksam machen.

Gerade der Bau der Gewächshausanlagen hat zu Kooperationen mit deutschen „Partnern“ geführt. Im deutschen Emsbühren und im niederländischen Eemsmond am Dollart planen niederländische Investoren Gewächshäuser von 60 Hektar (Emsbühren, bereits im Bau) und 425 Hektar (Eemsmond, in Planung). Dagegen protestiert haben bereits die Grünen im niedersächsischen Landtag. Beide Komplexe sollen nämlich ganzflächig überglast und Tag und Nacht beleuchtet werden.

Strikt dagegen ist auch die Touristeninsel Borkum. Sie befürchtet, der nächtliche Lichtschein der Gewächshäuser könnte ihre Gäste stören. Also beteiligt sich Borkum an der Fackelkette. Borkum will damit gleichzeitig gegen auf See stationierte Windkraftanlagen demonstrieren, allerdings auch nicht unbedingt aus ökologischen Gründen: Borkum hat Angst, die Skyline der Windmühlen könnte den Touristen den verklärten Blick auf den Horizont verstellen. Überhaupt geht die Insel-Gemeinde sehr robust mit dem Schutz des Wattenmeeres um. Unter anderem ihr ist es zu verdanken, dass bei der Umwandlung der Nationalparkverordnung in ein Gesetz der Niedersächsische Nationalpark Wattenmeer weniger geschützt und touristisch intensiver genutzt werden kann.

Der NABU, ebenfalls Fackelträger, ist für den Ausbau der Off-shore-Anlagen. Nur nicht in „geschützten Gebieten“. Dieser Begriff ist aber sehr dehnbar. Gilt ein Gebiet erst als „geschützt“ wenn es definitiv als solches ausgewiesen ist, oder schon, wenn es zwar schützenswert ist, aber partout nicht als solches deklariert wird, weil dort ein Windpark geplant ist? Und was ist, wenn direkt an der Grenze eines Schutzgebietes ein Windpark geplant wird? „Als kleinsten gemeinsamen Nenner haben wir uns mit Borkum geeinigt, gegen Windparks in der Zwölf-Meilen-Zone zu demonstrieren“, sagt Volker Thüre vom NABU Niedersachsen. Und weiter: „Außerdem wollen wir, dass das Wattenmeer von der UNO zum Weltkulturerbe erhoben wird.“

Das ist zwar ehrenhaft, kostet aber nichts. Seit langem wünscht sich auch die niedersächsische Landesregierung dieses werbeträchtige Etikett. Für die Nordsee oder das Wattenmeer springt mit dem Titel „Weltkulturerbe“ aber kein zusätzlicher Schutzstatus heraus. Es kommen höchstens noch mehr Touristen in die schon jetzt vom Fremdenverkehr gebeutelte Region.

Auch Greenpeace, das sich weltweit für die Förderung erneuerbarer Energie einsetzt und besonders für die Off-shore-Anlagen, steht auf der Unterstützerliste der Fackelaktion. In Hamburg ist man darüber erstaunt: „Wir wissen davon nichts“, so Greenpeace-Sprecherin Svenja Koch zur taz. Nicht minder verblüfft war der Sprecher des niedersächsischen Umweltministeriums, Magnus Buhlert. Darauf hingewiesen, dass das „Bundesland Niedersachsen“ unter der Rubrik „Unsere Partner und Unterstützer“ auf der Website der Fackelaktion firmiert, meinte er: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

In der Tat, das Umweltministerium unter FDP-Minister Sander versucht seit Amtsantritt immer mehr Naturschutzbereiche für die wirtschaftliche Nutzung zu öffnen. Ganz aktuell wird eine Änderung der Fischereiverordnung diskutiert, damit die niedersächsischen Fischer die Austernvorkommen im Wattenmeer ausbeuten können. Zwei Tage vor der Fackelaktion musste die waddenvereniging das „Bundesland Niedersachsen“ nach Intervention des Ministeriums von der Unterstützerliste streichen. „Wir haben uns geirrt“, rudert Joke Skoop von der waddenvereniging zurück. Die Lösung: „Die niedersächsischen Grünen unterstützen uns. Nicht das Land.“