Spekulationen um Sarkawi und Bin Laden

Stärkt oder schwächt das angebliche neue Bündnis die Terrorgruppe im Irak? Ist da überhaupt was dran?

Nun ist die Katze also angeblich aus dem Sack: Terroraktivist Abu Mussab al-Sarkawi hat mit seiner Gruppe „Monotheismus und Dschihad“ im Irak dem Terrorpaten Bin Laden und dem Al-Qaida-Netzwerk seine vollste Loyalität zugesagt. „Wir verkünden, dass unsere Gruppe ‚Monotheismus und Dschihad‘, ihr Prinz und ihre Soldaten mit dem Führer aller Mudschaheddin, Ussama Bin Laden, eine Allianz eingehen“, hieß es diese Woche auf einer Sarkawi zugeordneten Internetseite.

Der US-Geheimdienst hat den Inhalt der Webseite inzwischen als „authentisch“ bezeichnet. So begannen die Spekulationen. Erwartet werden – nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ – in der Zukunft mehr Terroranschläge. Anderseits wird argumentiert, die neue Allianz könne als ein Zeichen der Schwäche gewertet werden. Sogar von einem „Verzweiflungsakt“ ist bei der Webseite „stratfor“ die Rede, einem amerikanischen Thinktank, der Geheimdienstinformationen analysiert. „Sarkawi und Bin Laden haben sich aus Verzweiflung zusammengetan, weil sie ihre strukturellen Grenzen erkannt haben und von den US-Antiterrorschlägen geschwächt sind“, heißt es dort optimistisch. Angeblich habe das US-Militär im Irak Meldungen der militanten Islamisten abgefangen, in denen Sarkawi versucht, sich Bin Laden anzudienen, weil er seine Bewegung ohne Hilfe von außen vor dem Untergang sieht.

Das Merkwürdige bei dieser Diskussion ist nur: Hat uns Washington nicht seit spätestens Ende letzten Jahres mit einer immer wiederkehrenden Regelmäßigkeit Herrn Sarkawi als al-Qaidas Mann Nummer eins im Irak verkauft? Sarkawi hatte im Irak sogar monatelang Bin Laden und dessen Adjutanten, dem Ägypter Aiman al-Sawahiri, als blutigster Al-Qaida-Mann den Rang abgelaufen. Wieso al-Sarkawi sich angeblich am Ende sieht, in einer Zeit, in der er jeden Tag für eine weitere Autobombe im Irak verantwortlich gemacht wird, ist erst einmal ebenso schwer verständlich.

Die Theorien über das Terrortrio Bin Laden, Sawahiri und Sarkawi sind ebenso zahlreich wie die vermeintlichen Terrorexperten überall auf der Welt. Für die einen sind sie inzwischen Phantome, die dazu dienen, die real existierende Bedrohung für jedermann vereinfacht zu personalisieren. Für die anderen sind sie immer noch jene, die im Hintergrund tatsächlich alle Fäden ziehen.

Niemand kann von sich behaupten, in der Welt der Geheimdienste und militanten Islamistengruppen die endgültige Wahrheit zu besitzen. Keiner sollte die tatsächliche Bedrohung, die von den Dschihadisten ausgeht, unterschätzen. Aber die Realität ist wahrscheinlich etwas komplizierter, als es der Mythos um diese drei Personen es uns wahrhaben lässt. Al-Qaida ist längst nicht mehr eine Organisation oder ein logistisches Terrornetzwerk, sondern eine sinnstiftende Ideologie, der sich militante Islamisten bedienen, um ihre Taten zu rechtfertigen und deren Wirkung zu vergrößern. Der ägyptische Al-Qaida-Experte Dia Raschwan verglich esmit einer Fastfood-Kette wie McDonald’s. Jeder kann irgendwo zuschlagen, sich einen Al-Qaida-Fantasienamen geben und hat damit automatisch eine neue Filiale eröffnet. So können Meldungen wie die angebliche „Hochzeit“ des Subunternehmers Sarkawi mit dem Konzernchef Bin Laden am Ende alles oder nichts bedeuten.

KARIM EL-GAWHARY